Helmuth James von Moltke gehört zu den
großen Persönlichkeiten des Widerstandes gegen den
Nationalsozialismus. Als Mitinitiator des Kreisauer Kreises wollte er
eine andere gesellschaftliche und ethische Ordnung errichten als
jene, die vom NS-Regime erzwungen wurde.
Dafür bezahlte er am 23. Januar 1945,
heute vor 75 Jahren, mit dem Leben. Er wurde hingerichtet in
Plötzensee, dem Gefängnis, in dem ich derzeit als
Gefängnisseelsorger arbeite.
Die letzten Monate vor seinem Tod stand
er noch einmal in intensivem Kontakt mit seiner Frau Freya von
Moltke. Nach der Verhaftung im Januar 1944 verbrachte Moltke die
meiste Haftzeit im Gefängnis des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Seit dem 28. September 1944 war er in Tegel inhaftiert.
Dort half der evangelische
Gefängnispfarrer Harald Poelchau unter der beständigen Gefahr
entdeckt und selbst hingerichtet zu werden, fast täglich die Briefe
zwischen Freya und Helmuth zu schmuggeln. Sie sind ein Dokument der
Liebe, publiziert als "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel.
September 1944 – Januar 1945."1
Licht durch die Gitter. Festung Hohensalzburg, Salzburg, 2019. |
Während dieser Zeit in Tegel konnte
das Paar sich fünf Mal sprechen, das letzte Mal nur wenige Tage vor
der Hinrichtung, am 16. Januar 1945. Zwischendurch versuchte Freya
einerseits, das Leben auf Gut Kreisau zu organisieren und
andererseits, für ihren Mann an verschiedenen Stellen noch
irgendetwas zu erreichen. Vergeblich, wie sich herausstellen sollte.
Moltke selbst wiederum reflektierte
natürlich viel in eigener Sache, doch er las auch viel, zunächst
vor allem landwirtschaftliche und theologische Literatur, in den
letzten Monaten in Tegel widmete er sich sehr intensiv der Lektüre
der Heiligen Schrift.
Von praktischen Belangen, strategischen
Erwägungen und vom tiefen gemeinsamen Glauben sind auch die letzten
Nachrichten geprägt, die sich das Paar sendet.
In den letzten Zeilen, die ihn von
Freya noch erreichen bevor sie sich am 19. Januar auf den Weg nach
Kreisau macht, kann Helmuth am Ende lesen:
"Sieh Dir die Losungen an: 5.
Mos. 8,18 Phil 4,13
Ich nehme Dich mit und bleibe Dir
nah in großer, heißer, starker, ungetrübter und so Gott will
unangefochtener Liebe".2
Helmuth schreibt am 21. und 22. Januar
einen Antwortbrief und, im klaren Bewusstsein des baldigen Todes
(ohne den genauen Termin zu kennen), auch am Tag seiner Hinrichtung
noch einmal, nüchtern und tröstend zugleich:
"Wo magst du sein, mein Herz?
Ob Du in Berlin, oder ob Du umgekehrt bist? Solltest Du etwa diesen
Brief nach meinem Tod bekommen und nicht in Berlin sein, so denke
nicht, ich sei darüber traurig gewesen, dass du nicht hier bist.
Darüber sind wir beide durch die Lehre der letzten 3 ½
Monate erhaben geworden. Bist Du da, so ist das eine
zusätzliche Freude, und sehen wir uns noch einmal, so sind wir
darüber sehr glücklich. Sobald feststeht, dass Du hier nichts mehr
für mich tun kannst, musst Du mich verlassen und nach Hause fahren,
denn da wird jetzt allerhand fällig sein. [...] Bekämpfe nur die
Panik."
Über sich selbst schreibt er ähnlich
klar und froh:
"Mir geht es gut, mein Herz.
Ich bin nicht unruhig oder friedlos. Nein, kein bisschen. Ich bin
ganz bereit und entschlossen, mich Gottes Führung nicht nur
gezwungen, sondern willig und freudig anzuvertrauen und zu wissen,
dass er unser, auch Dein, meines Liebsten, Bestes will. [...]
Leb wohl, mein Herz. Der Herr behüte
Dich und uns."3
Die Liebe scheint in dieser
Krisensituation zu wachsen.
Am Ende folgt eine nachträgliche
Notiz, die Helmuth James von Moltkes letzte Worte darstellen
(bisweilen spricht er seine Frau in der männlichen Form an):
Eine von Vielen. Neukölln, Berlin, 2020. |
"Mein Lieber, wie schön zu
wissen, dass Du da bist. Wie sehr lieb. Eben brachte [der
Wachtmeister] mir frisches Fleisch, Schlagsahne und Semmeln. Sonst
nichts anderes, als dass ich Dich, mein sehr liebes Herz, sehr lieb
habe und dabei bleibt's. J."4
So sterben zu gehen!
Gelassen und vertrauensvoll, ohne
Groll, im Bewusstsein, dass Gott alles in Händen hält und einen
Plan mit allem hat, dass das Getane es wert war und dass die Liebe
trägt – eine solche Haltung gibt Halt in trüben Zeiten.
Am gleichen Tag schrieb Freya in den
Morgenstunden noch einen Brief über ihre Reise nach Kreisau und
zurück am 22. Januar, den Helmuth als ihre letzte Nachricht vor der
Hinrichtung noch erhielt und der mit den Worten endet:
"Ich trug Dich so fest bei mir.
Das war sehr schön zu fühlen."5
1 2.
Aufl. München 2011. Zu den Daten vgl. v.a. die Einleitung (13-34)
und die Biographische Notiz (575-580). Die Rechtschreibung wurde in
den meisten Fällen der neuen Rechtschreibung angepasst.
2 Ebd.,
529.
3 Ebd.,
537.
4 Ebd.,
538.
5 Ebd.,
541.
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