Samstag, 22. Juni 2024

Sturm und Welt und Ruhe. Predigt zu Mk 4

Das heutige Evangelium bietet eine solche Menge an Auslegungsmöglichkeiten, dass ich mich nicht entscheiden konnte – und heute einfach mehrere zur Wahl stellen möchte.

Und weil wir in einer Wortgottesfeier das Wort Gottes feiern wollen, liegt es vielleicht sogar nahe, diesen Reichtum, der in der Bibel steckt, aufleuchten zu lassen.

1. Eine Auslegung rund um die Frage nach Gott.

Die Jünger im Boot rufen zu ihrem Herrn.

Denn sie haben Angst.

Nun kann man sich fragen, ob Angst ein guter Grund ist, um sich an Gott zu wenden. Aber wie auch immer man diese Frage beantworten würde – sie beten immerhin, sie wenden sich ihm zu.

Im Gegensatz zu vielen Gläubigen oder Nichtgläubigen ist ihnen klar, dass sie beten können.

Denn, ganz klar – dieser Sturm geht sie ganz unmittelbar an – es geht um etwas.

Da stellt sich natürlich die Frage – worum geht’s uns denn? Wann fangen wir an zu beten?

Braucht es Schon Jesus hat es erlebt – so wie bei den Freunden Jesu – Angst und Not?

Oder ist uns der Gedanke an Gott schon in Fleisch und Blut übergegangen?


Vielen von uns wird es wohl so gehen, dass schon etwas Außergewöhnliches passieren muss, damit wir uns Gott zuwenden. Wir vergessen Gott in unserem Alltag. Und das ist gar nicht so schlimm – sogar die Freunde Jesu gerieten erst einmal in Panik, weil sie vergessen hatten, dass sie Gott ja schon auf ihrer Seite haben.

Wie schön wäre es doch, wenn wir Gott einfach lieben könnten, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all unserer Kraft!

Aber wir sind Menschen – und brauchen immer wieder Hilfen, brauchen Erinnerung, brauchen Gott, um Gott zu suchen.


Vielleicht können auch die stürmischen Zeiten in unseren Leben uns zur Erinnerung für Gott werden.



2. Die aktuelle Auslegung.

Wenn wir Schlagzeilen für Boulevardzeitungen aus diesem Evangelium formulieren müssten, wäre das ein leichtes.

„Bekannter Wundertäter bricht alle Rekorde – Sturm gibt auf!“

„Extremwetterereignisse nehmen zu! Jesus weist die Natur in ihre Schranken!“

Oder mit Blick auf die EM: „Jesus – Sturm 1:0“

Aber wir können das Geschehnis auch mit leider immer noch aktuellen Ereignissen bebildern: das Foto eines Bootes, Menschen sitzen dicht gedrängt in orangenen Rettungswesten und haben Angst um ihr Leben – im Mittelmeer flehen sie um Hilfe wie die Freunde Jesu. Keine allzu weit entfernte Assoziation, die mir dazu kommt.

Die biblischen Texte sind eine Aufforderung, dass wir uns mit unserer Zeit befassen. Alles, was uns bewegt, alles, was geschieht, hat Platz vor Gott.

Und für alles bietet uns die biblische Überlieferung Raum.

 

Die Welt muss nicht draußen bleiben, wenn wir in die Kirche gehen. Unsere Gedanken und Sorgen um den Zustand der Welt, aber auch unsere Sehnsucht für die Gesellschaft, in der wir leben, gehören hierher.

Denn die Kirche ist ja nicht ein Raum, wo wir, abgeschirmt vom Elend der Welt, unser eigenes kleines frommes Süppchen kochen sollen. Vielmehr dürfen wir uns die Augen öffnen lassen.Und können inspiriert und gesegnet hinausgehen, um die Welt zu gestalten.

(Und wem das zu aktionistisch klingt, kommt als Kontrapunkt hier noch die 3. Option:)


3. Die Auslegung zum Sonntag

Im Gewühl unserer Zeit brauchen wir Ruhe – gerade, wenn es tobt und schreit und lärmt und nach allen Seiten drängt. Dann brauchen wir den, der für Ruhe sorgt.

Und wie gut, dass das schon lange bekannt ist – wenn wir auf die jüdische Sabbat-Tradition schauen, dann geht es genau darum: dass die Ruhe im Menschen ankommt. Dass mensch durchatmen kann.

Und wie wir neulich im Evangelium gehört haben, steht der Mensch über dem Sabbat. Hier hat Jesus einen neuen Punkt gesetzt: der Vorrang des Menschen vor dem Gesetz.

Aber manchmal kann das dazu führen, dass der Ruhetag überhaupt nicht mehr der Ruhe dient.

Ein bisschen Staubsaugen wird ja wohl noch möglich sein. Ein paar E-Mails beantworten. Fünf wichtige Freizeitaktivitäten gehören auf jeden Fall dazu. Und naja, die Rückfahrt dauert nun mal sechs Stunden.

So ist das mit dem Durchatmen und Zur-Ruhe-Kommen schnell vorbei.

Und dann stelle ich mir folgendes Bild vor: Wir sitzen in unserem Wochenboot, gestresst von der Arbeit. Gestresst von der Familie. Gestresst von der Freizeit. Gestresst von den Nachrichten. Gestresst von unserem Alltag. Und wir wünschen uns so sehr die Ruhe in unserem Alltagssturm.

Und dann steht Jesus im Sonntag auf und sagt: Sei still.

Der Sonntag kann diese Ruhe sein.

Und wir fragen uns: Wie kann er das? Wie macht er das?

Und dann ist es gut, heute zu hören: Macht doch nicht auch deswegen noch Stress. Habt keine Angst. Ich bin da.

Ja, Gott ist da. Gott will uns Ruhe schenken.

Am Sonntag darf es heißen: „Das Alte ist vergangen. Neues ist geworden.“

Die Ruhe ist dein. Denn es ist Sonntag.


Und wenn Sie heute oder während der nächsten Woche noch einmal zurückdenken an dieses Evangelium, dann denken Sie an diese Punkte:

- Stürmische Zeiten können uns zu Gott führen.

- Wir sind eingeladen, die Welt mit in die Kirche zu bringen.

- Wir dürfen uns die Ruhe schenken lassen, besonders am Sonntag.


Oder Sie lassen Gott in diesem Text noch ganz anders zu sich sprechen.

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