Samstag, 18. Juli 2015

Gregor Gysi und die Interkommunion

Vielleicht sind meine Assoziationen zu freizügig, aber nachdem ich bei der gestrigen Bundestagsdebatte zum Hilfspaket für Griechenland den Linken-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi hörte, schoss mir die Ökumene und vor allem die Eucharistiefrage quer.

Gysi hatte nämlich auf die prophetischen Einlassungen linker Politiker vor der Einführung des Euro hingewiesen und betont:
"Wir sagten, der Euro kann am Ende eines Angleichungsprozesses in der Bildung, in der Kunst, in der Wissenschaft, in der Wirtschaft und nach verabredeten Standards bei Steuern, Löhnen, Renten und Sozialleistungen stehen. Wenn man aber diese Arbeit nicht leistet und die europäische Integration ausschließlich über eine Währung versucht, wird das extreme negative Konsequenzen haben." (ab Minute 1:30)
Sprung ins Ungewisse. Herrsching am Ammersee, 2015.

Politisch und ökonomisch stellt sich diese Meinung mit Blick auf den (bisweilen schon nicht mehr, bisweilen aber immer noch) taumelnden Süden Europas jetzt tatsächlich als klug heraus. Bevor man den großen Wurf eines gemeinsamen Währungsraumes schafft, muss, das bestätigen inzwischen zunehmend auch die Regierungsparteien der Euro-Länder, eine kulturelle, mentale und nicht zuletzt wirtschaftliche Verständigung erreicht werden, damit die bestehenden möglichen Unterschiede keine Löcher in das neue Kleid reißen. (Ob gleich von einem Angleichungsprozess die Rede sein muss, sei nach den historischen Erfahrungen der Sowjetunion dahin gestellt.)

Zum theologischen Punkt: Ökumenisch ist dies grosso modo die Linie der katholischen Kirche in der Frage, ob die Eucharistie auch von Nichtkatholiken empfangen werden kann. Denn bei allen individuellen Ausnahmen gilt: "Nach katholischem (und erst recht nach orthodoxem) Verständnis setzt die Eucharistie als Sakrament der Einheit das Stehen in der vollen Kirchengemeinschaft voraus."1 (vgl. zum Ganzen die Gedanken zur eucharistischen Ekklesiologie)

Erst dann also, wenn alle anderen differierenden Fragen der Gemeinschaftsbildung geklärt sind, kann als Höhe- und Schlusspunkt gemeinsam "zeichenhaft" miteinander Kommunion (= Gemeinschaft) gefeiert werden.

Zugleich setzt das Zweite Vatikanische Konzil selbst aber einen Kontrapunkt und spricht über "das wunderbare Sakrament der Eucharistie [...], durch das die Einheit der Kirche bezeichnet und bewirkt wird."2
Gemeinschaft - zwei in einem. Taufbecken und Lesepult.
StadtkircheSt. Jacobi, Dornburg / Saale, 2015.
Nicht nur Zeichen der Einheit wird die Eucharistie also genannt, sondern zugleich kann sie (wie die Kirche selbst) als "Werkzeug zur Einheit" bezeichnet werden. Durch das gemeinsame Feiern der Eucharistie, in diesem Miteinander-Kommunizieren wird nämlich auch eine größere Einheit und Gemeinschaft geschaffen.

Und niemand soll sich der Illusion hingeben, alle bei der Eucharistiefeier einer Gemeinde anwesenden katholischen Gläubigen seien schon so sehr Gemeinschaft, dass ihnen die Eucharistie nicht zu noch größerer Gemeinschaft helfen könnte.

Ökumenisch gewendet bedeutet das, dass ab einem gewissen theologisch begründbaren Punkt (wie der Übereinstimmung über das Wesen der Eucharistie) und bei bestimmten, ökumenisch bedeutsamen Anlässen auch eucharistische Communio über den individuellen Fall hinaus möglich sein sollte.

Ebenso kann, nun ganz vorsichtig den Rückweg zur Euro-Ökonomie antretend, gegen Gysis Vorstellung möglicherweise eine gemeinsame Währung auch ein mögliches Mittel zur weiteren tieferen Einheit sein, bevor alle anderen Dinge sich angeglichen haben.
Aber das ist wieder ein anderes Thema für einen anderen Blog.

1   W. Kasper, Sakrament der Einheit. Eucharistie und Kirche. Freiburg i.Br. 2004, 102.


2   Unitatis Redintegratio 2. In: K. Rahner, H. Vorgrimler (Hgg.), Kleines Konzilskompendium. 28. Aufl. Freiburg i.Br., Basel, Wien 2000.