Donnerstag, 23. Februar 2023

Vom Verstehen. Oder: Keine russischen Friedenstauben

Ich versuche als Seelsorger, nahe bei den Anliegen meiner Gegenüber zu sein.

Während meiner Tätigkeit als Gefängnisseelsorger wollte ich in den Gesprächen mit Inhaftierten verstehen, warum Menschen Verbrechen begehen. Ich habe versucht, die Familiengeschichten, die sozialen Umstände, die Macht des Drogenkonsums zu verstehen. Manchmal ist es mir gelungen.

Aber ich habe meine Grenzen. Ich kann nicht verstehen, wie der aktuelle Vernichtungskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, irgendwie zu verstehen oder gar zu rechtfertigen wäre - außer durch Machtgier und Mordlust.

Plakat zur Unterstützung einer Demonstration.
Frankfurt (Oder), 2023.
Ich verstehe auch nicht, wie man diesen Krieg (in "Friedens"-Manifesten oder montags auch auf den Straßen dieser Stadt) immer wieder relativiert oder umdeutet.

Hier fehlt mir inzwischen jedes Verständnis.

Da wird die zivile Infrastruktur der Ukraine inklusive ihrer Stromversorgung (im Winter!) durch russische Angriffe systematisch zerstört - und in Deutschland kritisiert man die militärische Unterstützung, die die Ukraine braucht, um sich dagegen zu wehren.

Da werden Menschen in besetzten Gebieten verschleppt, gefoltert oder ermordet - und in Deutschland wird gefordert, die Ukraine solle doch bitte einfach zu einem Kompromiss bereit sein.

Da wird die internationale Gemeinschaft durch die russische Führung über Monate und Jahre belogen und betrogen, da werden reihenweise internationale Vereinbarungen gebrochen, Fakten werden durch die russische Propaganda dreist verdreht - und in Deutschland ruft man „aber die USA“ und möchte den russischen Mördern möglichst schnell die Hand reichen.

Das alles bleibt mir in Diskursen in Deutschland unverständlich. Ich sehe keine russischen Friedenstauben! 

Ja, man wird verhandeln müssen, ja, es werden viele Abwägungen nötig werden, ja, der Krieg muss so schnell wie möglich enden.

Aber das darf nicht auf Kosten der Ukraine und ihrer Souveränität geschehen. Echten Frieden kann es unter russischer Besatzung nicht geben - da sind alle unsere osteuropäischen Nachbarn realistischer als wir Deutschen.
Und das russische Regime darf mit seinem Terror nicht davonkommen!

Deswegen zeige ich am Freitag Gesicht auf der Demo „Stand with Ukraine“ in Frankfurt (Oder). 

Haben wir mehr Verständnis für ein Land, das um seine Souveränität und sein Überleben kämpft, als mit dem Aggressor!
Haben wir mehr Verständnis für die Not der Geflüchteten und ihre Sorgen als für jene, die sich in Illusionen über eine baldige Verhandlungsbereitschaft Russlands ergehen!

Seien auch wir solidarisch mit der Ukraine!


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