Donnerstag, 13. Juli 2023

Sorry, not Sorry - Predigt zum Semesterabschlussgottesdienst

Um Entschuldigung bitten, bereuen, sich versöhnen – das sind Grundmotive, die dem Christentum schon seit seinem Ursprung innewohnen. Denn vieles kreist darum, wie die Beziehung zwischen Mensch und Gott wieder in Ordnung gebracht werden kann.

Tun wir Menschen das dadurch, dass wir uns an die Regeln halten, die Gott aufgestellt hat? Müssen wir Opfer bringen, wenn es nicht klappt? Droht uns harte Strafe, wenn es nicht zur Versöhnung kommt?

Joanna Rajkowska, SORRY, 2022,
Skulptur in Warschau, Beton, Glas,
mit freundlicher Genehmigung
der
Wielkopolskie Towarzystwo Zachęty
Sztuk Pięknych. Fot.: R. Pachmann
Christinnen und Christen haben über die Jahrhunderte ganz verschiedene Akzente gesetzt bei dem, was sie aus der Botschaft Jesu herausgelesen haben, wenn es um Versöhnung ging. Wichtig war immer der Einsatz Jesu für uns Menschen, sein Einsatz für eine neue Gemeinschaft der Menschen mit Gott, sein Einsatz für die Versöhnung, der ihn bis ans Kreuz führte.

Es war ein äußerst brutaler Tod für eine solch friedliche Botschaft, die Jesus zu verkünden gekommen war.

Vielleicht erinnert die Brutalität des Kreuzes den einen oder die andere an die Monstrosität dieser Skulptur, an der wir heute versammelt sind. Einerseits eine frohe Nachricht von der Erlösung, andererseits eine äußere Form, die dazu überhaupt nicht passen will. Schließlich ist es größtenteils unsere Gewöhnung, dieuns im Christentum dazu bringt, ständig einen toten Mann als Wahrzeichen vor Augen zu haben - und das nicht anstößig zu finden.

Doch die Künstlerin hat sowieso eine Anstößigkeit im Blick – ihr Kunstwerk will gar keine frohe Botschaft verkünden, sie möchte zunächst nur wachrütteln.

Denn es geht Joanna Rajkowska, polnische Künstlerin mit vielen politischen Kunstwerken im öffentlichen Raum, darum, den Kontrast herauszustellen zwischen dem von oben lesbaren Wort SORRY, das die Mauern formen, - und der Tatsache, dass es ein Sorry ist, das sich selbst konterkariert und widerspricht.

Schließlich will ein Sorry, eine Entschuldigung, Mauern einreißen und eine zerbrochene Beziehung wieder neu herstellen – während die Mauern genau für das Gegenteil stehen, nämlich gerade nicht für Verbindung und Gemeinschaft, sondern für Trennung.

Und so ist die eigentliche Monstrosität für die Künstlerin der Widerspruch zwischen dem, was gemeint oder gesagt wird – und dem, was tatsächlich getan wird. Man könnte auch sagen, es geht ihr um die Heuchelei oder das Vorspielen von etwas, das gar nicht ist.

Und damit sind wir bei dem Evangeliumstext (Mk 8,27-33), den wir gerade gehört haben:

Wir hören von Petrus, der ein Bekenntnis zu Christus als dem Gesandten Gottes ablegt: „Du bist der Christus.“ (v29) – deshalb wird er von vielen Christen als wichtigster Apostel verehrt und in anderen biblischen Texten als Fels der Kirche bezeichnet (vgl. Mt 16,18), als der, der bei den Jüngern Jesu vorangeht.

Aber – gleich im nächsten Abschnitt zeigt sich, dass es so einfach nicht ist! Als dieser Jesus, den Petrus als den Christus erkannt hat, nun sagt, was das bedeutet – nämlich zu leiden und zu sterben, da weist Petrus ihn zurecht und will von Leiden und Tod seines Christus nichts wissen.

Er meint also eigentlich gar nicht, was er sagt. Oder er versteht nicht, dass er dem Christus, seinem „Chef“, folgen sollte und nicht andersherum.

Interessanterweise zieht sich dieses Motiv für Petrus durch verschiedene Geschichten der Evangelien:

Als er Jesus über das Wasser des Sees Genezareth wandeln sieht, möchte er ihm entgegengehen - und geht unter (Mt 14,26-30).

Als Jesus in der Nacht vor seinem Tod auf dem Weg zum Ölberg ist, schwört Petrus noch einmal die Treue (Mt 26,33) – nur um am selben Abend gleich dreimal jede Verbindung mit seinem Meister zu verleugnen (Mt 26,69-75).

Und noch kurz vor der Verhaftung wird er zwar ausgewählt, Jesus zum Gebet am Ölberg zu begleiten – aber schläft sofort ein (Mt 26,36-46).

Petrus ist also kein großes Glaubensvorbild – sondern eher der Prototyp des Menschen. Schwach, schwankend, nicht verlässlich.

Oder um es mit der Skulptur zu sagen: Laut SORRY schreien, aber dann zur Mauer erstarren. Irgendwie „Sorry – not Sorry“

Und trotzdem ist Petrus in der Geschichte des Christentums zu einer wichtigen Gestalt geworden!

Anscheinend schien es wichtig, genau solchen nicht perfekten Menschen einen Raum zu geben.

Das soll natürlich seine Schwäche und sein ständiges Hin und Her nicht schönreden! Aber es kann uns doch ein bisschen sanfter machen. Denn eigentlich ist Petrus ein SORRY-Mensch, wie wir alle. Nicht viel besser, nicht viel schlechter. Oftmals wortbrüchig und großspurig und nicht immer stehen Sein und Schein im Einklang.

Doch bei aller Sanftheit und aller Großzügigkeit auf der einen Seite – gehört die Kritik an uns selbst (aber auch bei anderen) dazu, wenn großspuriges Sprechen und kleinkalibriges Handeln zu sehr auseinandertreten.

Deswegen wünsche ich euch und uns, dass wir unser Bitten um Entschuldigung ernst meinen und dementsprechend handeln, aber genauso auch unser Bekennen und Hoffen.

Auch als Studierende, auch als Lehrende der Viadrina sind wir aufgefordert, dass unser Sprechen und Handeln zueinander passen.

Dazu helfe uns Gott - in den Prüfungen, in der vorlesungsfreien Zeit, im Urlaub und immer.

Amen 

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