Terminlich zwischen diesen und jenen
liegt natürlich der aufgeblasene Abend mit den Kürbissen, Fratzen,
Süßigkeiten und Monstern. Was man mit Kürbissen besser macht,
zeigt das Bild.
Wichtiger ist aber, dass das Andenken
an die in dämonischen Kindern wiederkehrenden Toten, die von der
katholischen Kirche als Heilige verehrt werden, sich trifft mit dem
Anliegen, dass Protestanten auf der ganzen Welt an ihrem großen Tag
feiern.
Das Anliegen heißt: Näher zu Gott.
1
Was man besser mit Kürbissen macht. Küche, Rixdorf, Berlin, 2014. |
Denn genau das wollte damals Martin
Luther mit seinen Aktionen (wozu historisch-kritisch wohl kein
Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche gehörte) und seinen
Schriften letztlich. Man kann ihm viele lautere und unlautere Motive
in seiner Kommunikation mit der machtbewusst auftretenden Kirche
seiner Zeit unterlegen, aber die Suche nach der Nähe eines liebenden
und gnädigen Gottes war ihm persönlich und auch theologisch ein
Herzenswunsch. Davon zeugen v.a. seine Bibelübersetzung und die
kritische Relativierung aller kirchlichen Vermittler gegenüber dem
persönlich-innerlichen Gottesverhältnis. Götzendienst wird
intuitiv entlarvt durch die Feststellung, dass eines Menschen Gott
sich ganz einfach in der jeweiligen Zuwendung des Herzens
manifestiert.
2
Hier trifft er sich wiederum mit einem
meiner Lieblingsheiligen, dem Gründer des Jesuitenordens Ignatus von
Loyola. Der betont in seiner Hinführung zu einem gottnahen Leben,
dem Exerzitienbuch, die intime Nähe des Einzelnen zu seinem Schöpfer
im Gebet. "Mit Großmut und Freigiebigkeit" solle
jeder die Gottesnähe Suchende vor Gott treten, damit Gottes
Tröstungen
auf einen offenen, weil liebenden
Grund fallen.1
Um diese Liebe zu verspüren, die
Gottesnähe bedeutet, gibt er eine spezielle "Betrachtung, um
Liebe zu erlangen" auf.2
In dieser Meditationsanleitung
steckt mein persönlicher Schlüssel zum Fest Allerheiligen.
Denn sie beginnt, typisch für
Ignatius, mit einer Bereitung des Schauplatzes, also damit, in
welchem "Setting" sich der Betende vorfindet. Das ist hier:
"Sehen, wie ich vor Gott, unserem Herrn, stehe, vor den
Engeln, vor den Heiligen, die für mich eintreten."3
Fassade von St. Michael, München, 2013. |
Das sagt mir: In meiner intimen
Gottesbeziehung bin ich nie allein; vor mir und neben mir stehen
jene, die Gottes nächste Nähe erreicht haben. Ich darf darauf
vertrauen, dass die Heiligen, ebenso wie Gott selbst, mit einem
liebevollen und verzeihenden Blick auf all das schauen, was ich in
meinem Leben so tue. Denn mein Gebet bringt mich nicht nur Gott
näher, sondern auch allen anderen, die vor Gott stehen.
3
Aber vielleicht ist das zum
Reformationstag alles zu affirmativ. Vielleicht braucht es mehr
subversive Gedanken. Die findet man natürlich in der Lyrik, sei sie
auch, wie das folgende Gedicht, von einem polnischen Priester. Aber
Jan Tardowskis "Wo lang", wie der Originaltitel "Którędy"
wörtlich unschön übersetzt hieße, ist pure Subversion.
Mit dem kontrainstitutionellen Impetus
und dem Appell ans Gewissen passt "Der Weg zu Dir" gut zu
einer kritischen Reformationstagsstimmung als Vorbereitung auf
Allerheiligen. Mit Reserveschlüssel statt Kürbis:
Der Weg zu Dir4
Wo ist der Weg zu Dir?
Geht er nur durchs
Hauptportal
mit den Heiligen
im weißen Kragen,
die das Ausweispapier
mit dem Stempel auf sich
tragen?
Vielleicht geht’s auch
von der andern Seite,
querfeldein,
ein bisschen auf Umwegen,
hintenherum,
durchs Gehölz der
neugierigen Verzweiflung,
durch den Wartesaal
zweiter und dritter Klasse,
mit der Fahrkarte in der
anderen Richtung,
ohne Glauben, nur mit der
Güte
als blindem Passagier,
durch den Notausgang,
mit dem Reserveschlüssel
von der Mutter Gottes
persönlich,
durch lauter Hintertüren,
die ein Dietrich öffnet,
auf der Straße der
Nichtauserwählten,
auf armseligen, närrischen
Weglein,
von jedem Ort aus, von wo
Du rufst,
mit dem nie erstorbenen
Gewissen.
Hauptportal, Weimar, 2014. |
1 Vgl.
Ignatius v. Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde
Texte. Leipzig 1978, No. 5; 316.
2 Vgl.
ebd., No. 230-237.