Freitag, 29. August 2014

Alle Tage - Gedanken über die Ehe

Aus gegebenem Anlass habe ich mir diese Woche den letzten Film von Michael Haneke angeschaut: "Liebe" – ein Drama von zwei Menschen und ihrem gemeinsamen Weg im hohen Alter. Wie sich das Zusammenleben in Spannung und Entspannung, in Zärtlichkeit und Scham, Zuwendung und Hilflosigkeit vollzieht, das ist grandios erzählt und gespielt.
Aber auch die Konsequenzen der Liebe, beispielsweise in der Pflege des kranken Partners und die Herausforderungen und Grenzen menschlichen Wollens werden gezeigt. Was fordert die Liebe? Das Nichts-tun-Können aushalten? Zarter werden? Nur da sein? Zeigen, dass etwas getan werden muss?
Überwölbung, Hauptbahnhof Dresden, 2014.
Und was folgt nach jahrzehntelanger Gemeinsamkeit für denjenigen, der nach dem Tod des anderen dann übrigbleibt? Nicht umsonst schreibt Mascha Kaléko in ihrem Gedicht "Memento" – "Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der andern muss man leben."
Aushalten, dass man allein zurückbleiben muss, kann vielleicht noch einmal ein Zeichen der Liebe sein.

Das führt mich zu einem zweiten Gedanken, der mich aktuell beschäftigt, nämlich der Text desVermählungswortes nach dem römisch-katholischen Ritus. Da heißt es:

"N., vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau / meinen Mann.
Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet.
Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens."

Und dann beim Anstecken des Eheringes:

"Trag diesen Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes."

Zunächst fiel mir auf, was da versprochen wird und was nicht – Treue ist das ausschlaggebende Wort, die näherliegende Liebe dagegen wird nicht versprochen, vielleicht weil es hier beim Versprechen des Versuches bleiben müsste. Treue dagegen ist nicht nur eine erwünschte Haltung, sondern viel stärker willentlich beeinflussbar. Wie die Liebe muss auch sie sich praktisch bewähren.

Beider Zeichen ist der Ring, dessen äußere Gestalt der Beständigkeit und der Verbundenheit sich liebevoll und treusorgend im inneren, im alltäglichen Leben, äußern soll. Äußere Form und innere Wahrheit hängen zusammen.
Damit die geschlossene Form des runden Ringes nicht zum Paaregoismus führt, endet die Sequenz im Namen des dreifaltig-einen Gottes, nach dessen Abbild sich die Liebe gestalten soll.

Am Beginn des Versprechens steht wiederum das Bewusstwerden, nicht losgelöst im leeren Raume zu stehen, sondern "vor Gottes Angesicht". Seine Gegenwart trägt alles.

Und er soll Begleiter sein in allen Lebenslagen, für die die Treue besonders nötig ist, "bis der Tod uns scheidet". Für den Fall des Todes gilt die Ehe als beendet. Die Verpflichtung der Treue erstreckt sich für den Hinterbliebenen also nicht über den Tod des Partners hinaus. Aber (!) die Willensbekundung, den anderen "lieben, achten und ehren" zu wollen reicht darüber hinaus: "alle Tage meines Lebens" und nicht "alle Tage deines Lebens".
Ein markanter Unterschied! Dies ehrlich zu wollen (und erst recht es zu leben) ist keine kleine Herausforderung.

Zum Glück steht alles unter dem Segen Gottes, dessen Leben den Menschen zugesagt ist:
"Wo unter Christen geheiratet wird, wo ein Zeichen der untrennbaren Liebe in dieser Welt aufgerichtet wird, das ein Hinweis auf die erlösende Liebe Christi zu seiner Kirche ist, da geschieht Gnade, das heißt, geschieht göttliches Leben, (...) da fängt eine neuere tiefere Dynamik durch den heiligen Geist Gottes an, der diese beiden weiter und tiefer hinein in das Leben Gottes tragen kann".1

 
Unlesbares Schild, Kreuzberg, Berlin, 2014.

1   K. Rahner, Über die Sakramente der Kirche. Meditationen. Freiburg i.Br. 1991, 134.