„ich bin ja hier“ – so lautet der
letzte Satz in Saša Stanišić' Roman „Wie der Soldat das
Grammofon repariert“1,
der anrührend-komischen Geschichte einer Kindheit im zerfallenden
Jugoslawien und damit im beginnenden Krieg. Beim Lesen des Romans war
ich zunächst in Sorge, ob der locker-flockige eigenwillige Beginn
sich stilistisch so durchziehen würde. Im Verlauf bleibt auch ein
starker Stilwille erkennbar, auch die lockere Sprache besteht weiter,
aber sie fängt zunehmend sensibler die Kriegserfahrungen aus
Kinderaugen ein.
Rostiger Pfosten, Neukölln, Berlin, 2014. |
Durch Kindheitserinnerungen und
Familiengeschichten hindurch wird das Zerbrechen einer Jugend
geschildert. Schließlich reist der nach Deutschland entflohene
Protagonist zehn Jahre später wieder in seine Heimat und spürt
seinen Erinnerungen nach. Außerdem sucht er die junge Frau, mit der
er als Kind in einem Keller Schutz gesucht hatte. Nach dem
Familienbesuch am Grab des Lieblingsopas dann erreicht ihn durch
schlechte Leitung der Anruf mit ihrer Stimme.
Was er dann sagen kann, ist eben dies:
„ich bin ja hier“.
Eine kristallklare Aussage und doch
bleibt nebulös, wo „hier“ denn nun ist. Beruhigend wirkt der
Satz, man spürt eine abschließend Erleichterung über das endlich
zustande gekommene Gespräch, zugleich bereitet sich damit der
nächste Schritt aus dem Buch heraus vor.
Assoziativ fügen sich mir zum
„Hiersein“ zwei christliche Kontexte hinzu.
„Ich bin hier“ ist grundlegende
Zusage des Gottes Israels - „Ich bin hier“ auch die gläubige
Antwort des Menschen.
„Ich bin hier“ spricht Gott dem
Mose aus dem brennenden Dornbusch heraus zu (vgl. Ex 3,14); er steht
zu seinem Volk und ist ihm nahe, was auch immer durch die Geschichte
hindurch geschieht. Anwesend zu sein, heißt tröstend, aufhelfend,
ausrichtend da sein, Anschub zu geben, zu lieben.
„Ich bin hier“ sind die Worte eines
Weihekandidaten im römisch-katholischen Ritus der Priesterweihe,
wenn er aufgerufen wird hervorzutreten. Nicht wie Adam sich
verstecken, dass einer rufen muss „Wo bist du?“ (vgl. Gen 3,8f),
sondern bereitwillig vor Gott stehen. Auch nicht im Gegenwärtigen
oder Zukünftigen verschwinden, in Gedanken entfliegen, sondern
gegenwärtig sein.
Denn in der Gegenwart ist, so ein
Gedanke vieler Religionen, Gott anzutreffen. Hier findet der Mensch
den Gott, den er sucht. „Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet
der Seele“ fasst Nicolas Malebranche dies zusammen.
Es ist nötig, da zu sein. „Ich bin
ja hier“, solidarisch und verbunden, Vertrauen spendend, gerade und
auch wenn die Zeit vorbei ist, „als alles gut war“2
wie das Buch im Buch es nennt.
Hallendecke, Muzeum Narodowe, Poznan, 2014. |
1 S.
Stanišić,
Wie der Soldat das Grammofon repariert. München 2006, 315.