Donnerstag, 17. April 2014

Gründonnerstag - Da wird was geboten!

Spargelhof Klaistow, 2014.
Diverse christliche Agitatoren werben für das Christentum, indem sie (ganz im Sinne der Pascalschen Wette) aufzeigen, was für die Einzelnen an Lebensqualität oder ewigem Heil herausspringt, wenn sie sich denn für Christus entscheiden. Das mag bis zu einem gewissen Punkt berechtigt und ansprechend sein.
Was aber, wenn die Heutigen etwas völlig anderes wollen als es die christliche Botschaft bieten kann?

Ich habe Inspiration bei Samuel Beckett gefunden, denn er reduziert in seinen Charakteren das menschliche Verhalten radikal:

Estragon: Ich bin müde. (Pause) Komm, wir gehen.
Wladimir: Wir können nicht.
Estragon: Warum nicht?
Wladimir: Wir warten auf Godot.
Estragon: Ach ja. (Pause) Also, was sollen wir machen?
Wladimir: Da ist nichts zu machen.
Estragon: Ich kann aber nicht mehr.
Wladimir: Willst du ein Radieschen?
Estragon: Ist das alles, was da ist?
Wladimir: Es gibt Radieschen und weiße Rüben.
Estragon: Sind keine gelben mehr da?
Wladimir: Nein. Du übertreibst es mit den gelben.
Estragon: Dann gib mir ein Radieschen.
(Wladimir sucht in seinen Taschen, findet nur weiße Rüben. Er kramt endlich ein Radieschen hervor, das er Estragon gibt, der es untersucht und beschnuppert. Es ist schwarz!)
Wladimir: Es ist ein Radieschen.
Estragon: Ich mag nur die roten, das weißt du doch.
Wladimir: Du willst es also nicht.
Estragon: Ich mag nur die roten.
Wladimir: Dann gib es her.
(Estragon gibt es ihm zurück)
Estragon: Ich geh mir eine gelbe Rübe suchen.
(Er rührt sich nicht)
Wladimir: Nun wird es wirklich sinnlos.
Estragon: Noch nicht genug.
(Schweigen)1
Park am Gleisdreieck, Kreuzberg, Berlin, 2014

Die Botschaft von Ostern ist, dass wir Anteil am Leben Christi bekommen. Und alles, was in diesen österlichen Tagen geschieht, weist hin auf die Möglichkeit, Anteil zu erhalten an dem Leben, das Jesus Christus gibt: ein gemeinsames Abendessen, ein politisch-religiös motivierter Mord, eine erschreckende Stille, ein radikaler Neuanfang, der mit großem Schrecken und enormer, ungläubiger Freude einhergeht.
Am Gründonnerstagsgeschehen deutet Jesus seinen bevorstehenden Tod als Hingabe: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird." – "Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird." (Lk 22,19.20)

Wollen wir diese Gabe überhaupt? Wollen wir, so wie Paulus es deutet, Jesu Leben in uns? Denn ein Christus folgender Glaube würde bedeuten: "Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir." (Gal 2,19f) 
Das wäre auch für unser Leben Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostermorgen.



1   S. Beckett, Warten auf Godot. Berlin und Frankfurt a.M. 2006 (Covertext: Faksimile eines Handexemplars, das Beckett zur Vorbereitung der legendären Godot-Inszenierung 1975 am Berliner Schiller-Theater diente.), 82f.