Samstag, 19. April 2014

Ostern - Die zärtlichste Nacht

Ich widerspreche selten und ungern, wenn es sich um Lyrik handelt. Noch dazu bei einer Autorin, die ich so schätze wie diese, Hilde Domin. Und sie hat ja auch recht – wenigstens zu Beginn und im Ganzen auch, wenn allein menschlich gedacht wird. Aber hier muss ich doch widersprechen.
Zuerst jedoch das Gedicht:

Cerberus von E. Hilgemann (Ausschnitt),
Wilmersdorf, Berlin, 2014.
Zärtliche Nacht1

Es kommt die Nacht
da liebst du

nicht was schön ist -
was hässlich ist.

Nicht was steigt -
was schon fallen muss.

Nicht wo du helfen kannst -
wo du hilflos bist.

Es ist eine zärtliche Nacht,
die Nacht da du liebst,

was Liebe

nicht retten kann.

Tatsächlich, meine Liebe hat keine rettende Macht, sie kann nicht erlösen, sie ist hilflos und bleibt mit all ihrer Zärtlichkeit im Dunkeln stecken. Ist bloß blasser Widerschein der Gotteskraft Liebe.
Die nämlich liebt über alle Maßen, liebt die Nacht hinfort und bricht aus der Dunkelheit das Leben heraus.

Denn Ostern ist nicht natürlich verstehbar, ist nicht wie das vielgebrauchte Bild vom Frühling. Kein Same, der im Dunkel der Wintererde natürlich dem Frühling entgegen keimt. Kein immer gleicher Rhythmus von Werden und Vergehen. Kein langsames Aufblühen der Knospen in der warmen Sonne.

Blumen, Neukölln, Berlin, 2014
Sondern es ist Gott, der die Todesnacht erfüllt und das Leben neu in ihr aufleuchten lässt. Vorausklänge dieses großen Umschwungs, Ahnungen der endgültigen Überwindung alles Toten und Hoffnung auf die letzte Rettung finden sich zuhauf in den alttestamentlichen Schriften der Bibel.
Und das Ostergeschehen ist doch ein Bruch, ist Glanz über matten Schatten dieser Vorstellungen. Die Texte des Exsultet, des großen Osterjubels am Beginn der nächtlichen Feier, sprechen diesbezüglich für sich, für mich ist diese Liturgie darum das große Zeugnis des zart-starken Osterglaubens.

Hier triumphiert Gottes Liebeslebenskraft. Ein Strahlen der Schöpfung hebt an, das alles Falschsein, alle Gebrochenheit, jede Hilflosigkeit und alle Finternis hinter sich lässt – "Siehe, geschwunden ist allerorten das Dunkel."
Das Exsultet ist ein Dankestaumel, der dem Liebestaumel Gottes nahekommen will:

"Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren,
hätte uns nicht der Erlöser gerettet.
O unfassbare Liebe des Vaters:
Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!
"

Schriftzug im Christlichen Garten, Gärten der Welt, Marzahn, Berlin, 2014.

Eine Nacht, die Glanz in das alltägliche Leben bringt, von dem her sich leben lässt. Eine Nacht, die das eucharistische Brot aus dem Abendmahlssaal erfüllt mit dem Leben, das jubelndes Überstrahlen ist. Brot und Glanz, die den Gefallenen wirklich aufhelfen:

"Der Glanz dieser heiligen Nacht
nimmt den Frevel hinweg,
reinigt von Schuld,
gibt den Sündern die Unschuld,
den Trauernden Freude.
Weit vertreibt sie den Hass,
sie einigt die Herzen
und beugt die Gewalten
."

Ja, die zärtliche Liebe Gottes überwindet die Rettungslosigkeit unserer kleinen Menschenliebe und siegt tatsächlich. Halleluja


1   H. Domin, Rückkehr der Schiffe. Gedichte. Frankfurt a.M. 1994, 54.