Ich widerspreche selten und ungern,
wenn es sich um Lyrik handelt. Noch dazu bei einer Autorin, die ich
so schätze wie diese, Hilde Domin. Und sie hat ja auch recht –
wenigstens zu Beginn und im Ganzen auch, wenn allein menschlich
gedacht wird. Aber hier muss ich doch widersprechen.
Zuerst jedoch das Gedicht:
Cerberus von E. Hilgemann (Ausschnitt), Wilmersdorf, Berlin, 2014. |
Es kommt die Nacht
da liebst du
nicht was schön ist -
was hässlich ist.
Nicht was steigt -
was schon fallen muss.
Nicht wo du helfen kannst -
wo du hilflos bist.
Es ist eine zärtliche Nacht,
die Nacht da du liebst,
was Liebe
nicht retten kann.
da liebst du
nicht was schön ist -
was hässlich ist.
Nicht was steigt -
was schon fallen muss.
Nicht wo du helfen kannst -
wo du hilflos bist.
Es ist eine zärtliche Nacht,
die Nacht da du liebst,
was Liebe
nicht retten kann.
Tatsächlich, meine Liebe hat keine
rettende Macht, sie kann nicht erlösen, sie ist hilflos und bleibt
mit all ihrer Zärtlichkeit im Dunkeln stecken. Ist bloß blasser
Widerschein der Gotteskraft Liebe.
Die nämlich liebt über alle Maßen,
liebt die Nacht hinfort und bricht aus der Dunkelheit das Leben
heraus.
Denn Ostern ist nicht natürlich
verstehbar, ist nicht wie das vielgebrauchte Bild vom Frühling. Kein Same, der im Dunkel der Wintererde natürlich dem Frühling
entgegen keimt. Kein immer gleicher Rhythmus von Werden und Vergehen.
Kein langsames Aufblühen der Knospen in der warmen Sonne.
Blumen, Neukölln, Berlin, 2014 |
Und das Ostergeschehen ist doch ein
Bruch, ist Glanz über matten Schatten dieser Vorstellungen. Die
Texte des Exsultet, des großen Osterjubels am Beginn der nächtlichen Feier,
sprechen diesbezüglich für sich, für mich ist diese Liturgie darum
das große Zeugnis des zart-starken Osterglaubens.
Hier triumphiert Gottes
Liebeslebenskraft. Ein Strahlen der Schöpfung hebt an, das alles
Falschsein, alle Gebrochenheit, jede Hilflosigkeit und alle Finternis
hinter sich lässt – "Siehe, geschwunden ist allerorten das
Dunkel."
Das Exsultet ist ein Dankestaumel, der
dem Liebestaumel Gottes nahekommen will:
"Wahrhaftig, umsonst wären wir
geboren,
hätte uns nicht der Erlöser
gerettet.
O unfassbare Liebe des Vaters:
Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!"
O unfassbare Liebe des Vaters:
Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin!
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat.
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!"
Eine Nacht, die Glanz in das
alltägliche Leben bringt, von dem her sich leben lässt. Eine Nacht,
die das eucharistische Brot aus dem Abendmahlssaal erfüllt mit dem
Leben, das jubelndes Überstrahlen ist. Brot und Glanz, die den
Gefallenen wirklich aufhelfen:
"Der Glanz dieser heiligen
Nacht
nimmt den Frevel hinweg,
reinigt von Schuld,
gibt den Sündern die Unschuld,
den Trauernden Freude.
Weit vertreibt sie den Hass,
sie einigt die Herzen
und beugt die Gewalten."
nimmt den Frevel hinweg,
reinigt von Schuld,
gibt den Sündern die Unschuld,
den Trauernden Freude.
Weit vertreibt sie den Hass,
sie einigt die Herzen
und beugt die Gewalten."
Ja, die zärtliche Liebe Gottes
überwindet die Rettungslosigkeit unserer kleinen Menschenliebe und
siegt tatsächlich. Halleluja
1 H.
Domin, Rückkehr der Schiffe. Gedichte. Frankfurt a.M. 1994, 54.