Donnerstag, 29. Oktober 2015

Keine geweihten Hände - Eine Art Bekenntnis

Inzwischen bin ich versöhnt und sehr froh mit der jetzigen Ausrichtung meines Lebens. Das war nicht immer so klar.
Knapp zehn Jahre meines Lebens hatte ich der Vorbereitung auf ein kirchliches Weiheamt gewidmet – um nach Studium mit Ausbildung im Priesterseminar sowie Noviziat und Magisterium in der Gesellschaft Jesu schließlich zu heiraten und Vater zu werden.
Dieser äußere Weg ist mit vielen inneren Wandlungen verbunden, die ich an diesem Ort einmal reflektieren will.
Marien-Kapelle in der Abtei Königsmünster,
2015.
Die Frage nach dem ehelosen Leben in einer Ordensgemeinschaft hat eine große Faszination auf mich ausgeübt, wenngleich diese Faszination immer eingebettet war in den größeren Wunsch nach dem Dienst für Gott und die Menschen. Sich ganz in die Hand Gottes legen, von einem Nachfolger der Apostel gesandt und zum "Verwalter der Mysterien", wie es im Weihegebet heißt, gesalbt - was für ein Anspruch.
Daneben habe ich oft das Ungenügen eines solchen Lebensentwurfs für mich persönlich gespürt. Das Hingezogensein zum anderen Geschlecht und die Sehnsucht nach Vaterschaft ließ sich letztlich nicht in diesen Lebensentwurf integrieren.

Die Binsenweisheit, dass nicht jede menschliche Sehnsucht in jedem Lebensentwurf Platz findet, habe ich persönlich durchlebt.

Nach meinem Austritt und dem Eingehen einer Beziehung wiederum habe ich einige Zeit gebraucht, um die Sehnsucht nach dieser ehelosen Lebensausrichtung wieder los zu werden. Es ist ja nicht so, als ließen sich die Prägung und die Gewohnheiten, der Lebensalltag und die Prioritäten auf einmal umkrempeln, als könnte einer alles wieder loswerden, was sich über die Jahre entwickelte. Der über lange Zeit selbst gewählte Verzicht auf eine exklusive Beziehung und das Leben in einer Ordensgemeinschaft kann auch Früchte im Eheleben tragen, wenn es beispielsweise um die Frage des zurücktretenden Verzichtens selbst oder um das Aufeinander-Hören geht.

Wenn ich in den letzten Jahren eine Priesterweihe besucht habe, stellte sich mir regelmäßig die Frage, wie es wohl wäre, jetzt selbst dort unter den Händen des Bischofs zu knien und zum Dienst am Wort und an den Sakramenten für die Gemeinde Gottes geweiht zu werden. Wehmut war das mindeste, was mich überkam, da ich ja selbst längst "dran gewesen" wäre.
Dazu kam die Frage, wie es wäre, im Namen Christi für die Gemeinde das Brot zu brechen, Sünden zu vergeben, Gottes Segen zu spenden, das Wort auszulegen. Meine Ausbildung würde es ja nahe legen und ich würde es wirklich gern tun.

Schilder. Sanktuarium der Göttlichen
Barmherzigkeit, Warschau, 2015.
Nun war ich am letzten Wochenende wieder bei der Priesterweihe dreier ehemaliger Mitbrüder aus der Gesellschaft Jesu. Es war bis auf die Predigt eine ansprechende Feier, würdig inszeniert in St. Michael in München.
Trotzdem habe ich dabei und bei der Primiz am nächsten Tag festgestellt, dass ich nicht mehr den Wunsch habe, jetzt selbst dort zu stehen, um dann mit meinen Händen das Brot zu brechen und die Wandlungsworte zu sprechen. Dass unter meinen Händen das Brot substanziell zum Leib Christi wird, dieser lang gehegte Wunsch erschien mir nun so weit weg.

Das hat auch und vielleicht in erster Linie damit zu tun, dass ich nun ein Kind habe. Das hat meinem Leben, und so sehen es ja sicher viele junge Eltern, eine völlig andere Richtung gegeben. Natürlich ist der Alltag mit Kleinkind anstrengend und mühsam, intellektuell oft weniger anregend als die Gespräche in einer Jesuitenkommunität, im Eheleben will vielerlei ausgehandelt werden und die Rückzugsräume sind beschränkter geworden.
Es mag auch nicht die Kraft der Verwandlung sein, die einem Priester anvertraut wurde.

Aber doch ist da diese hier auch schon mehrfach ausgebreitete Erkenntnis, dass da mit meinem Zutun etwas völlig Neues in die Welt getreten ist, ein Mensch, für den ich verantwortlich bin und der ohne seine Eltern zunächst völlig hilflos wäre, für den ich einstweilen Tag und Nacht da sein muss und den wachsen zu sehen das Großartigste ist, was mir in meinem Leben passiert ist.
Da gebe ich zu, dass ich kein Priester sein möchte und mir auch bei einem möglichen Wegfall des Zölibates aus rein familienpraktischen Gründen sieben bis zehn Mal überlegen würde, diesen Weg dann auch zu gehen.

Wenn Jesus unter seinen Jüngern Menschen sucht, die um des Himmelreiches willen ehelos leben (vgl. Mt 18,12), dann kann ich inzwischen für mich sagen, dass ich zu diesen in die Ehelosigkeit Berufenen nicht gehöre. Ich bin froh, dass es solche Menschen gibt, die sich voll in Dienst nehmen lassen und so brennen, dass keine Familie ihnen genügen würde.

Mein Engagement für das Reich Gottes auf dieser Erde vollziehe ich nicht mit geweihten Händen. Aber ich hoffe, dass sein Leben auch durch mein Leben und Tun sichtbar wird und nehme mir die Worte Pauli zu Herzen:
"Strebt nicht über das hinaus, was euch zukommt, sondern strebt danach, besonnen zu sein, jeder nach dem Maß des Glaubens, das Gott ihm zugeteilt hat. Denn wie wir an dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben Dienst leisten, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören. Wir haben unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade." (Röm 12,3-6)

Puppe im Licht. Comenius-Garten, Rixdorf, Berlin, 2015.