Samstag, 31. Oktober 2015

Rupert Mayers 70. Todestag - Ausrichtung an Christus

An einer evangelischen Kirche habe ich mal gelesen: „Reformation bedeutet: Sein Leben immer wieder neu an Jesus Christus ausrichten.“

Eigentlich geht es in jeder christlichen Existenz genau darum. Besonders stark aber verdichtet sich diese Ausrichtung auf Jesus und die immer neue Angleichung an Ihn in den Menschen, die wir als Heilige verehren.

Der selige Rupert Mayer, an dessen 70. Todestag an diesem 1. November erinnert wird, hat die Gestaltung seines Lebens nach dem Vorbild Christi so überzeugend gelebt, dass schon viele seiner Zeitgenossen in ihm einen heiligen Mann sahen. Es war ein Leben des Dienstes. Illustrieren lässt sich das durch das Jesuswort, das an seinem Gedenktag in der Lesung zu hören ist: „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.“ (Joh 10,11) 

Jesus liegt am Boden. Powazkowski-Fiedhof, Warschau, 2015
Sein Alltag war geprägt von der Sorge um die Menschen, die ihm anvertraut waren. Als Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg versorgte er z.B. die Frontsoldaten mit Geschenken und zusätzlichen Essensgaben, er feierte mit ihnen in den vordersten Stellungen Gottesdienste und lebte dabei immer in der Gefahr, dort auch sein Leben zu verlieren. Ende Dezember 1916 wollte er, mit den vorrückenden Soldaten mitgehend, gerade eine Brücke im rumänischen Gebirge überqueren, als ihm eine Granate das linke Bein vom Knie abwärts zerschmetterte. 
All seine vielfältige Arbeit nach dem Ersten Weltkrieg, dreißig Jahre aufreibender Arbeit, hat er mit einem Holzbein geleistet.


So trifft auch auf ihn zu, was Papst Franziskus meint, wenn er sagt, ein Seelsorger müsse den Stallgeruch seiner Gläubigen kennen Im Sinne des Jesuswortes: „Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.“ (Joh 10,14)

Es ist ein Kennen, das aus Nähe entspringt. Rupert Mayer versuchte nah dran zu sein und schaute genau auf die Notwendigkeiten seiner Zeit. Darum führte er in den 1920er Jahren im Münchner Hauptbahnhof Bahnhofsgottesdienste für die Ausflügler und die Angestellten von Post und Bahn, für die Taxichauffeure und Polizisten ein. Er ging dorthin, wo es nötig war.

So wurde er auch selber zum Bettler für die Armen. Er setzte sich ein für die, die im Krieg und in der Zeit der Inflation alles verloren hatten, er sammelte trotz Schikanen und Behinderungen für die Caritas auf der Straße, unterstützte Invaliden und Familien mit vielen Kindern. Im Winter und Frühjahr 1930/31 wurden unter seiner Leitung von der Kommunität in St. Michael Lebensmittel und Brennmaterial an über 4000 Familien ausgegeben.



Dass er bei all dem auch ausgenutzt wurde, machte ihm wenig aus, vielmehr war seine christliche Überzeugung: „Der selbstlosen Liebe kann auf die Dauer kein Mensch widerstehen.“

Zugleich war er nicht politisch naiv, sondern beschäftigte sich sehr intensiv mit den geistigen Strömungen seiner Zeit.

Denn ein Kernpunkt von Rupert Mayers Wirken war sicher die gesellschaftlich relevante Predigt für jene, die durch die verschiedenen politisch-weltanschaulichen Gruppierungen im Glauben verunsichert wurden.

St. Michael über Palmen. München, 2015.
Dabei siegte sein Eifer oft über die Vernunft: „Sooft ich auch schon drinnen war, immer wieder habe ich es mir neu überlegt und bin an den Lokalen vorbeigegangen. Soll ich hineingehen? Jetzt sind sie ruhig und jubeln. Wenn ich aber komme, dann geht’s los: Saupfaff, elendiger! Dann geht alles drunter und drüber und der ganze Friede ist dahin. Aber ich sagte mir, es ist meine Pflicht, es ist sonst niemand da. Ich muss hinein.“ So wurde er denn bei den Versammlungen der Kommunisten oftmals angeschrieen und vom Rednerpult heruntergezerrt. Selbstlose Liebe hatte bei ihm schon ein sehr eigenes Aussehen..



Auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten äußerte er, Münchens bekanntester Prediger und patriotischer Kriegsversehrter, sich engagiert gegen das neue Regime. Vor allem zwei Punkte kritisierte er immer wieder: dass als Maßstab der Sittlichkeit nur noch der Staat angesehen werde und dass das Alte Testament, das „Judenbuch“ aus der Schule zu verbannen sei.

Mit viel Energie trat er gegen die Totalisierung des Staates und die Gleichschaltung der Gesellschaft ein, predigte auch trotz Rede- und späterem Predigtverbot und wurde deshalb am 5. Juni 1937 wegen Volksverhetzung und „Kanzelmissbrauch“ das erste Mal verhaftet und eingesperrt.



Folge seiner Verhaftung waren Demonstrationen in München und eine viel beachtete Predigt Kardinal Faulhabers, der, wie Rupert Mayer zuvor, den Vergleich mit den Aposteln zog, als sie dem Hohen Rat beim Verhör antworteten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 5,29)

Nach der rasch darauf erfolgten Entlassung hielt Rupert Mayer sich zwar einige Zeit an das Predigtverbot des Oberen, aber zu Weihnachten 1937 stand er mit dessen Erlaubnis wieder auf der Kanzel von St. Michael. Die darauffolgende zweite und schließlich eine dritte Verhaftung brachten ihn letztendlich erst ins Gefängnis von Landsberg und dann ins KZ Sachsenhausen. Dort magerte er schließlich so sehr ab, dass man ihn aus Angst, er könne sterben und so für noch größere Unruhe sorgen, 1940 ins Benediktinerkloster Ettal verbrachte mit der Auflage, keinen Kontakt mit der Außenwelt zu haben.

Darüber klagte er heftig: „Seitdem bin ich lebend ein Toter, ja dieser Tod ist für mich, der ich noch voll Leben bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich so oft gefasst war.“



Das Kriegsende erlebte er in klösterlicher Abgeschiedenheit. Als er kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner wieder nach München zurückkehrte, konnte er zwar ironisch sagen: „Ein einbeiniger Jesuit lebt, wenn es Wille Gottes ist, länger als eine tausendjährige gottlose Diktatur“, aber schon am Allerheiligentag 1945 traf ihn bei der Predigt in St. Michael der Schlag, an dem er kurz darauf (im Gegensatz zu manchen Legenden erst im Krankenhaus) starb. Doch, wie die damals Münchner sagten, „selbst im Tod ist er nicht umgefallen.“



Trotz dieser Kennzeichnung als standhaften Widerständler war Rupert Mayer vor allem ein Beter. Er wollte Zeugnis ablegen für seine Bereitschaft, Gott zu folgen, was auch immer geschieht. Er wollte sein Leben an Christus ausrichten, es reformieren und stets neu so gestalten, dass in allem Gottes Wille geschehe:


Alle unsere Anmutungen und Vorsätze,

alle unsere Schwierigkeiten und Versuchungen,

alle unsere Kämpfe und Leiden,

alle unsere Sorgen und Ängste legen wir mit unermesslichem, unerschütterlichem Gottvertrauen

nieder in das Herz unseres Erlösers.

Wenn Gott mit uns ist, wer ist dann gegen uns?“

Kerzenständer. Naumburger Dom, 2015.