Montag, 19. Oktober 2015

JosephsReligion 5 - Sandmenschen vor den Toren

An der Grenze angekommen muss die Gruppe halten. Am Übergang der Wüste zur Zivilisation ist kein Durchlass. Was sie hören, ist dies:
"Umkehr! ... Zurück, ihr Sandhasen, ins Elend! Hier ist kein Durchlass! ... Immer zurück und nichts als zurück mit euch in die Wüste, das ist das Wort! Es wird kein Gesindel ins Land gelassen!"1

Eingang. KINDL - Zentrum für zeitgenössische Kunst.
Neukölln, Berlin, 2015.
Das reiche Ägyptenland könne nämlich nicht alle ins Land hineinziehen lassen, führt der herbeigerufene Vorsteher aus. "Es sind eurer zu viele ... Täglich kommen welche von da- oder dorther, sei es vom Gotteslande oder vom Gebirge Schu, und wollen das Land betreten, oder, wenn täglich zu viel gesagt ist, dann also fast täglich. Noch vorgestern habe ich welche durchgelassen vom Lande Upi und vom Berge User, da sie Briefe führten. Ich bin ein Schreiber der großen Tore, der über die Angelegenheiten der Länder Bericht erstattet, gut und schön für den, der es sieht. Meine Verantwortlichkeit ist erheblich. Woher kommt ihr, und was wollt ihr? Führt ihr Gutes im Schilde oder weniger Gutes oder sogar ganz Böses, so daß man euch entweder zurücktreiben oder lieber gleich in Leichenfarbe versetzen muß?"2

Er versteht seine Aufgabe prächtig, wie man sieht. Auf die Konsequenzen unlauterer Motive bei der Einreise will schließlich frühzeitig hingewiesen werden.

Auch weiß er Bescheid über die Probleme mit Ausländern und zählt eine Reihe anrüchiger Fakten über sie auf. Letztendlich summiert er:
"Überhaupt kennen wir die Fremdländer genau, denn wir haben sie unterworfen und nehmen ihren Tribut ... Vor allem, wißt ihr zu leben? Ich meine: habt ihr zu essen und könnt so oder so für euch aufkommen, daß ihr nicht dem Staate zur Last fallt oder zu stehlen gezwungen seid? Ist aber ersteres der Fall, wo ist dann euer Ausweis darüber und das schriftliche Unterpfand, daß ihr zu leben wißt? Habt ihr Briefe an einen Bürger der Länder? Dann her damit. Sonst aber gibt`s nichts als Umkehr."3

Sonst könnte ja jeder kommen. Doch, welch ein Glück: ein Brief liegt vor und die mitgeführten Waren beweisen die Liquidität der Einreisenden, so dass sie nicht auf staatliche Hilfe angewiesen sein werden – eine Einreise ist möglich. 


(Zuvor ging es hier um Jakob, weiter geht es hier mit Joseph und Potiphar)

1   Thomas Mann, Joseph und seine Brüder. Frankfurt am Main 4. Aufl. 2013, 522.

2   Ebd., 524.


3   Ebd., 525.