Der Blog hat zur Zeit das Nachsehen,
denn ich bin zu Genüge mit einer Reihe anderer Dinge beschäftigt.
Neben dem Kinde, der täglichen Erwerbsarbeit und vielen kleinen und
großen Nichtigkeiten gestalte ich von Zeit zu Zeit auch das Programm
von Familienveranstaltungen der Militärseelsorge. Am letzten
Wochenende war dies ein Familienwochenende zum Thema "Erntedank".
Ein paar meiner Gedanken zum Erntedank in der Familie passen
vielleicht auch hierher, zumal passenderweise ja auch die
Bischofssynode zum Thema Familie in Rom begann.
Strauß. Neukölln, Berlin, 2015. |
Wenn ich das Bild vom Erntedank auf die
Familiensituation übertrage, zeigt sich, dass es auch in der
Familie
Früchte gibt, die entstehen, indem wir an ihrem Werden arbeiten und
indem etwas von selbst wächst. In anderen Worten: wir müssen
einerseits etwas tun, damit unser Zusammenleben klappt – und
andererseits können wir eine gute Familienatmosphäre nicht
anbefehlen, sie muss selbstständig entstehen können.
Was aber sind die guten Früchte eines
Familienlebens? Ganz allgemein würde ich formulieren: Alles, was wir
aneinander genießen können, was uns gut tut im Zusammenleben. Was
das konkret bedeutet, muss jede Familie für sich ausloten.
Natürlich hängt das Bild der Ernte
schief, wenn Früchte im Familienleben als etwas konsumierbares
angesehen würden, das verschwunden wäre, wenn es genossen ist.
Vielleicht hilft eher das Bild der Nektar sammelnden Biene, die aus
einer Blüte sammelt und die Blüte unversehrt weiter Nektar
produzieren lässt.
Ebenso gilt: wie der Jahreskreis sich
weiter dreht, so geht auch das Familienleben weiter und nach Freude
und Dankbarkeit über eine "Ernte" muss anderes wachsen und
reifen. Wenngleich eine Familie natürlich anders als Natur nicht in
erster Linie von Jahreszeiten abhängig ist – bei uns können
mehrere Schritte im Zugehen auf eine Ernte gleichzeitig anstehen, wie
Pflanzen, Düngen, Beschneiden.
Für die Familie kann das bedeuten:
Pflanzen und den Boden bereiten – Was
steht gerade an, was treibt uns aktuell um?
- Was müsste einmal gründlich umgegraben werden in unserer Familie?
- Welche neuen Entwicklungen im Familienleben zeigen sich zur Zeit?
- Was würde ich gern neu beginnen und welche neuen Dinge stehen an, für die wir uns vorbereiten müssen?
Düngen – Was hilft uns wachsen?
Kahle Baumkronen. Jena, 2015. |
- Welche konkreten Unterstützungen oder Werkzeuge oder welchen Schädlingsschutz brauchen wir?
- Wer kann Dünger sein und an wem hängt das Weiterwachsen unserer Familie auch: Eltern und Schwiegereltern, Arbeitgeber, Gemeinde, Freunde, Nachbarn, Kollegen ... ?
Beschneiden – Was hindert uns am
Wachsen?
- Was müsste am besten beseitigt werden in unserer Familie?
- Welche Angewohnheiten oder Sitten oder Wörter müssten wir beschneiden?
Ernten – Was nährt uns, woran können
wir uns freuen?
- Wofür kann ich heute dankbar sein, was sind Früchte unseres Familienlebens für mich?
- Welche Entwicklungen waren überraschend und haben uns als Familie gut getan?
Solche Fragen bieten sich an. Tiefer
gehend fielen mir bei einigen "klassischen" biblischen
Texten mit dem Erntebild auf, dass sie sich auch für interessante
Akzentuierungen und Impulse eignen.
Hier eine Auswahl mit jeweils passenden
Fragen für die Reflexion:
"Der Bauer, der die ganze
Arbeit tut, soll als Erster seinen Teil von der Ernte erhalten."
(2Tim 2,6)
Wer trägt in unserer Familie den
Hauptanteil an der Atmosphäre und dem Zusammenleben?
Wer hat etwas von den Mühen für das
gemeinsame Leben?
"Hier hat das Sprichwort recht:
Einer sät und ein anderer erntet." (Joh 4,37)
Wer hat in unserer Familie etwas davon,
wenn sich jemand einbringt und anstrengt?
Gibt es bei uns eine gesunde
Aufgabenteilung, wenn es um die Sorge für das Familienleben geht?
Gilt dieses Sprichwort im schlechten
Sinn in unserer Familie – leben die einen auf Kosten der anderen?
"Wenn ihr die Ernte eures
Landes einbringt, sollt ihr das Feld nicht bis zum äußersten Rand
abernten. Du sollst keine Nachlese von deiner Ernte halten. ... Du
sollst sie dem Armen und dem Fremden überlassen." (Lev
9,9.10b)
Hat in unserer Familie jede und jeder
etwas von den Früchten des Zusammenlebens?
Gibt es einen Überschuss an Gutem, den
wir auch anderen zugute kommen lassen könnten?
"Dein Feld sollst du nicht mit
zweierlei Arten besäen." (Lev 19,19)
Sind die Prioritäten (der Eltern) sehr
verschieden, z.B. in Fragen des Familienlebens oder der Erziehung?
Wird in unserer Familie bisweilen mit
zweierlei Maß gemessen?
"Jeder Baum, der keine guten
Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen."
Wachsen oder nicht. Bremen, 2015. |
(Mt 7,19)
Wie gehen wir in unserer Familie mit
Fehlern um?
Halten wir in der Familie auch Zeiten
aus, die (scheinbar) unfruchtbar sind?
Besonders das letzte Jesuswort vom
umgehauenen fruchtlosen Baum macht mir in solchen Zusammenhängen
besonders zu schaffen – denn einerseits bietet die Bibel auch noch
das Bild vom nachsichtigen Gärtner (Lk 13,6ff), andererseits stellt
sich die Frage, wer denn über die Qualität der Früchte
entscheidet.
Und im Kontext des Gleichnisses vom
Unkraut unter dem Weizen mahnt Jesus selbst zur Geduld, wenn er will,
dass die Unterscheidung von Frucht und Nichtfrucht bei Gott liegt:
Die eifrigen Knechte fragen: "Sollen
wir gehen und das Unkraut ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst
reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides
wachsen bis zur Ernte." (Mt 13,28ff)
Hier drängt sich die Frage auf, wer
denn in einer Familie Probleme anspricht – und wie das getan wird,
ob mit Geduld oder unter Entscheidungsdruck.
Und neben vielem anderen fragt sich bei "Ernte-Dank" selbstverständlich: Wem können wir alles dankbar sein für das
Familienleben?