Auch wenn sich die Familiensynode des Weltepiskopats nur am Rande damit beschäftigt: Alle meine Gedanken und meine
Aufmerksamkeit für kirchliche und politische Neuigkeiten sind dieser
Tage durch das neue Erlebnis des Vaterseins geprägt, alles denkt
sich von dort her und darauf hin. Da ist die Ruhe der ersten Tage des
Willkommenheißens für mein Kind und die Zeit zum Kennenlernen ein
großes Glück!
Einige Eindrücke hier:
1
Graffito, Poznan, 2014. |
Elternsein heißt Gottes Mitarbeiter
sein. Paulus schreibt den Korinthern: „Ich habe gepflanzt,
Apollos hat begossen, Gott aber ließ wachsen. So ist weder der
etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der
wachsen lässt. Wer pflanzt und wer begießt: Beide arbeiten am
gleichen Werk, jeder aber erhält seinen besonderen Lohn, je nach der
Mühe, die er aufgewendet hat. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter“
(1Kor 3,6-9a) Nicht nur die Gemeindegründung und -leitung, auch die
Familie als kleinster Teil der kirchlichen Gemeinschaft lebt nicht
von unserem menschlichen Bemühen, sondern ist Gottes Geschenk. Wir
tun das Unsere als Eltern, aber Gott ist es, der letztlich wachsen
lässt.
2
Gott nährt seine Menschenkinder wie
eine Mutter ihr Kind stillt: „Tu deinen Mund auf! Ich will ihn
füllen.“ (Ps 81,11) Genauso wenig wie das Neugeborene müssen
wir uns nicht anstrengen, damit er uns Gutes gibt, wir müssen es nur
zulassen. Aber wie der winzige Kindermagen, der die Nahrung nicht
kennt, müssen auch wir verdauen, was Gott uns gibt. Und das ist
manchmal mühselig...
3
Wenn die Psalmisten wortreich Gottes
Größe besingen, die sich an den Weiten des Alls ebenso wie am
Menschen zeigt, dann sind sie sich (ebenso wie später Jesus) sicher,
dass Kinder ganz von selbst Lob und Dankbarkeit in den Herzen
hervorrufen. So kann ich den Lobpreis Gottes sehr gut und sehr
unmittelbar nachvollziehen, der in Psalm 8 zum Ausdruck kommt: „Aus
dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob, deinen
Feinden zum Trotz; deine Feinde und Widersacher müssen verstummen.“
(v 3) Wer Kleinkinder sieht, der gerät fast automatisch in staunende
Freude. Das Wundern am Wunder des Lebens mag man dann
naturwissenschaftlich (z.B. im Sinne des Kindchenschemas) wegerklären
wollen, aber am Faktum des sich reflexhaft regenden Gefühl kommen
die Wenigsten vorbei.
4
Die Sicht auf die Welt verändert sich.
Bei Milan Kundera las ich neulich eine schöne Passage darüber, wie
das Weltverhältnis nach einer Geburt neuen Wert gewinnt – um der
Zukunft des neuen Menschen willen: „Es ist unmöglich, ein Kind
zu haben und die Welt, so wie sie ist, zu verachten, denn in diese
Welt haben wir es hinausgeschickt. Wegen des Kindes hängen wir an
der Welt, denken an ihre Zukunft, beteiligen uns gern an ihrem
Getöse, ihrem Treiben, nehmen ihre heillose Dummheit ernst.“1
Am Münchener Flughafen, Abfertigung, 2013. |
5
Die beiden letztgenannten Punkte kommen
in dem zusammen, was Hans Joas als Erfahrung des Sakralen beschreibt.
Diese Erfahrung stellt sich gegenüber dem Kind ganz
selbstverständlich ein: "Die Qualität 'Sakralität' wird
Objekten spontan zugeschrieben, wenn sich eine Erfahrung eingestellt
hat, die so intensiv ist, dass sie das gesamte Weltbild und das
Selbstverständnis derer, die diese Erfahrung gemacht haben,
konstituiert und transformiert."2
Ein transformiertes menschliches
Selbstverständnis als junger Vater – dem kann ich problemlos
zustimmen. Die Erfahrung des Heiligen umweht mich.
6
Das neue Leben eines
Kindes ist für alle Beteiligten der Schritt ins Offene, ein neuer
Anfang. In seinem schönen Buch „Orientierung am Kinde“ drückt
Heinrich Spaemann das so aus: „Das Kind, das aus sich selbst
noch nichts anderes gemacht und sich selbst noch nichts anderes
vorgenommen hat, als was ihm zugedacht wurde, ist Prototyp des
anfangenden Menschen, die Gestalt der vertrauenden und bruchlosen
Offenheit für das Angebot des größeren Lebens, Prototyp der
Offenheit nach oben, noch leuchtender Entwurf von „lebendiger
Hoffnung.“3
Ein Anfang zum größeren Leben birgt
zwar Risiken, ist aber ungeheuer bereichernd. Mit Franziskus von
Assisi: „Lasst uns endlich anfangen!“
Bauch und Wand. Rixdorf, Berlin, 2014. |
1 M.
Kundera, Die Identität. 3. Aufl. München 2001, 60.
2 H.
Joas, Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der
Menschenrechte. Berlin 2011, 93.