Dienstag, 22. Oktober 2013

sich mitnehmen lassen - Über Gnade

Aus dem Roman „The Great Divorce“ („Die große Scheidung“) von C.S. Lewis stammt eine mich faszinierende Einsicht, wie wir uns Gottes Wirken zu unserem Heil und unsere Mitwirkung dabei vorstellen können.

Kurze Sicht.
Decke in einem Leuchtturm auf Rügen, 2013.
Der „Roman“ ist tatsächlich eine in eine Erzählhandlung gefasste Allegorie auf das, was die Kirche als Fegefeuer bezeichnet. Die im Titel benannte „Scheidung“ bezieht sich, wie der deutsche Untertitel zeigt, denn auch auf die Unterscheidung bzw. Trennung „Zwischen Himmel und Hölle“. 

Die Handlung ist rasch erzählt: In einer dunklen und grauen Stadt welken Halblebende matt vor sich hin; nur wenige schaffen es durch das Gewirr der Gassen hindurch bis zu einer Busstation, an der sie ein Fahrzeug mitnimmt. An einer Wiese ist die Endstation des Busses und es muss nun eine je persönliche Entscheidung gefällt werden: zurück hinunter ins leblose Grau der Stadt oder weiter hinauf ins Grün.
Hier geschieht nun das Entscheidende. Ähnlich psychologisch scharf beobachtet wie in den „Screwtape Letters“ („Dienstanweisungen für einen Unterteufel“) erläutert Lewis an mehreren Beispielen, wie Menschen in der durchaus anziehenden Umgebung die Entscheidung für Himmel oder Hölle, weitergehen oder zurückkehren, treffen.
Anhand von Begegnungen mit Menschen aus der jeweiligen Biographie werden die Einzelnen vor die Wahl gestellt, sich mitnehmen zu lassen oder allein zu bleiben und damit den Rückweg anzutreten.
Diese Begegnungen zeigen, wie sich die unterschwelligen Emotionen und negativen Einstellungen Raum schaffen. Sei es Misstrauen und Neid, dass gerade diese immer als schlecht angesehene Person jetzt den Auftrag bekommen hat, den Aspiranten mitzunehmen. Sei es Selbstgerechtigkeit und der Unwille, im Himmel mit aus dem früheren Leben bekannten Menschen solchen Kalibers zusammen zu sein. Sei es der theologische Hochmut, der sich angesichts der Wirklichkeit nicht eines Besseren besinnt.
Viele Ausflüchte und versteckte Vorbehalte zeigen das auftrumpfende Überzeugtsein von sich selbst und den eigenen Urteilen, zeigen das Kreisen um Scheinprobleme und falsche Prämissen. Ohne die Bereitschaft, sich abzuwenden von vorherigen Fehleinschätzungen und ohne umzukehren gelingt keinem der bei Lewis Dargestellten der weitere Weg nach oben. Eher entscheiden sich die Beispielfiguren für den Rückweg in die dunkle Stadt, als sich einfach mitnehmen zu lassen.

Aus diesem wunderbaren Buch rührt meine Überzeugung: Gottes Gnade ist eine Hinneigung, mit der er uns alles geben will. Wir müssen nichts tun, wir müssen uns nur mitnehmen lassen. Wenn wir das wagen würden, wenn wir es wagen, von uns absehend uns von Gottes Liebe ergreifen zu lassen, dann können wir nichts verlieren. Wir müssten uns bloß ergreifen lassen von Gottes Liebe zu uns.