Der Titel dieses Blogs bezieht sich auf
einen Vers von Hilde Domin: „...wir essen Brot, aber wir leben von
Glanz...“ (aus dem Gedicht Die Heiligen. in: Hilde Domin,
Nur eine Rose als Stütze. Gedichte. Frankfurt am Main 1994.)
Zwei Lebens-Mittel, die Leben auf
verschiedenen Ebenen ermöglichen – das will ich endlich mal
genauer mit den sich ergebenden Ambivalenzen in den Blick nehmen, jetzt, da der Blog schon so heißt.
1)
Zweierlei Nahrung
kneten, formen, backen
Welt des Menschen
Felder, Wiesen und Auen
Kains Scholle und Abels Blut
Brothungrig
Sonnig liegen die Äcker
wortloses Strahlen
über unsren Gesten
Fließende Kraft und loderndes Herz
Dankesgaben scheinen
Glanztrunken
2)
Bei diesen Worten von Brot und Glanz
denke ich sofort an die Zweisamkeit von Ressourcen, die Menschen
leben lassen: das real-materiell Vorliegende – und das
ideal-geistig Ergriffene.
Beides ist da. Beides nährt in
gewisser Weise. Beides schenkt dem Leben verschiedene Möglichkeiten.
Und an diese Beiden, das Materielle und
das Geistige, schließen sich meine Fragen unmittelbar an: Worüber
definiere ich mich? Was prägt mein Leben? Welchen Schwerpunkt setze
ich? Und letztlich: Was erwarte ich eigentlich vom Leben?
Von manchen Seiten wird ja sofort eine
Ordnung dazu gegeben: Erst kommt das Fressen, dann die Moral, meinte
jedenfalls Brecht. Erst wenn die materiellen Grundlagen gelegt sind,
können wir uns den geistigen Genüssen, der Muße und Kunst, eben
dem Glanz widmen.
Aber auch andersherum kann argumentiert
werden: wirklich Menschen sind wir doch erst dann (und vielleicht nur
dann?), wenn wir Glanz als Glanz wahrnehmen können. Macht nicht der
Wunsch nach dem Mehr als nur „Brot“ (in welcher Gestalt auch
immer dieses „mehr“ auftritt) die Größe des Menschen aus? Und
Glanz selbst schaffen zu können oder ihn für sich in Anspruch zu
nehmen, ist das nicht die Motivation aller alten Herrscher, die sich
mit gottgleichem Nimbus umgaben? (Augenscheinlich geht es vielen
neuen Herrschern, seien sie nun deutsche Bischöfe oder saudische
Prinzen, nicht so viel anders...)
Die Bibel, einer meiner
Hauptbezugspunkte für diesen Blog, stellt sich kritisch zu dieser
letzteren Art von Glanz. Menschlich mag dieses Bedürfnis nach
Selbstglanz ja sein, aber Glanz selbst herzaubern zu wollen ist hohl und
leer und anmaßend. Denn das, was Dinge oder Personen eigentlich zum
Leuchten bringt, der wirkliche Glanz also, kommt nicht aus uns –
oder um es mit Paulus zu sagen: „...was hast du, das du nicht
empfangen hättest?“ (1Kor 4,7).
3)
Hilde Domins Vers erinnert gleichzeitig zu
sehr an ein Jesuswort, als dass man es hier unerwähnt lassen könnte:
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort aus
Gottes Mund.“ (Mt 4,4) – die christliche
Interpretations-Garnierung zum Dichterwort sozusagen. Wobei
anzunehmen ist, dass (worauf auch der Kontext des Gedichts
hinzuweisen scheint) Hilde Domin selbst dieses Jesus-Wort im
Hinterkopf hatte.
Das zum Überleben Notwendige, das
Brot, das hier von Jesus relativierend in die menschliche
Gottesbeziehung geordnet wird, ist selbst eine Gabe
Gottes, aus dessen liebevoller Zuneigung wir leben. Eine Gabe, um die
wir immer wieder bitten – „unser tägliches Brot gib uns heute“.
Doch das Lebenswerte, die Orientierung
und das eigentliche
Lebensmittel hinter allen Magenfüllern ist nach Jesu Meinung Gottes
Wort an uns. Unser Leben lebt aus dem Angesprochensein, dialogisch
sind wir und darum angewiesen auf Gottes Anrede, wenn nicht Staub und
Sterne die Weltenleere des Lebens ausfüllen sollen.
Gottes strahlendes Wort erfüllt auch
das menschengemachte Brot in der Mahlfeier, ein mir äußerst
wichtiges Lebens-Element. Ein gemeinsames Essen Jesu mit seinen
Jüngern wird für Christen zum entscheidenden Bild gegenseitiger
Hingabe. Wie Jesus beim letzten Abendmahl seinen Kreuzestod
vorwegnehmend deutet und im Erinnerungsmahl heilschenkend
gegenwärtig setzt, so geben sich Christen heute mit ihren Gaben von
Brot und Wein, stellvertretend für alles menschliche Tun vor Gott
gebracht, in dieser Feier an Gott hin, damit mit diesen Gaben auch
ihr Leben verwandelt wird.
Gott bringt Brot und Leben zum Glänzen.
Weltvoll und darüberhinaus, Dialog,
Hingabe, Gottes Wort, Jesus Christus, Gnade – alles Motive, die
sich immer wieder finden werden in den Beiträgen dieses Blogs.
4)
Schließlich Brot und Glanz
metaphorisch als Inhalt des auf diesem Blog Dargetanen:
Manches mag brothaften Nährwert haben,
manches selbstüberschätzend glänzen, manches wird sich an der Welt
aufreiben, manches theologisch kreisen, manches wird deftig-kross
schmecken, manches einen Leuchttupfen setzen, ...