Im Sommer dieses Jahres war ich in
Israel. Die Landschaften sind überwältigend. Auf dem Weg von Jerusalem hinunter in die Judäische Wüste und dann nordwärts am frischen Grün des Jordantales vorbei
nach Galiläa zu fahren, in die Heimat Jesu, das hat mein Herz
wirklich aufgehen lassen.
Jordantal, Vordergrund: Israel; Hintergrund: Jordanien |
Ich habe viel in der Schrift gelesen
während dieser Tage, denn manches erschließt sich natürlich noch
einmal ganz anders, wenn man sich innerlich auf den Spuren Jesu durch
das Land macht.
Besonders am See Genesareth war ich
sehr froh. Am Abend unserer Ankunft in Galiläa habe ich darum den
Mount Arbel bei Migdal / Magdala bestiegen:
Blick auf den Mt. Arbel, Migdal |
Ich weiß nicht, ob es einer der Berge
ist, auf die Jesus sich zum Beten zurückzog. Ich weiß auch nicht,
warum ich noch am Abend über einen nicht befestigten Weg im Eiltempo
unbedingt dort hinauf wollte. Aber es war die Anstrengung wert,
auch wenn ich nicht wusste, wie ich wieder hinabsteigen werde.
Beim Aufstieg hatte ich andere Dinge im
Kopf – all die historischen Konflikte um dieses schöne Land, die
Tatsache, dass 40km Luftlinie entfernt die syrische Grenze liegt und
hinter ihr blutige Kämpfe stattfinden. Die Drohnen, die wir wie
kleine Spielzeugflugzeuge über unseren Köpfen gesehen hatten.
Und dann schenkt der unglaubliche Blick
über den See eine ganz neue Sicht auf alles. Mit dem Blick von oben
auf urbar gemachtes Land nahe der Wüste, mit dem Überblick, der
Nähe des Himmels, der Ferne zur geschäftigen Welt der Menschen, der
Stille und dem Wind, der Einsamkeit – mit all dem ändern sich
Maßstäbe und Definitionen.
Sicher lässt sich die Welt auch von
Rom aus anders sehen als von Berlin – und in jedem Fall bietet
Frankfurts Westend andere Perspektiven als das Bankenviertel. Vom
Berg aus betrachtet aber stehen die Dinge in anderem Licht. Der tiefe
Frieden, den ich dort gespürt habe, lässt sich nicht gut in Worte
fassen. Doch sicher verbindet er Menschen, die ihn beim Sitzen auf
einem Berg, in der Entfernung von allem Zivilisatorischen, spüren,
auch über die Zeiten hinweg mit Jesus.
Mt. Arbel, Blick auf den See Genesareth |
Wie muss er dieses Land geliebt haben.
Die Menschen mit ihren Fragen und Sehnsüchten, ihren Hoffnungen und
Ängsten. Seine Verwandten, sein Volk, seine Freunde, seine
Glaubensgenossen, seine Gegner, seine Diskussionspartner, seine
Zuhörer, seine Jünger und Unterstützerinnen.
Denen er die Liebe Gottes neu
nahebringen wollte. Das Volk, auf das Gott geschaut hatte und das die
Stimme seines Gottes nun wieder hören sollte, damit es angstfrei neu
miteinander umginge. Das er heilen wollte. Das Volk, das er so sehr
liebte, um dessentwillen er sich sogar mit seinen religiösen
Autoritäten anlegte.
Es ging ihm um die Hinneigung Gottes zu
diesen Menschen, deren Lebenswelt er so verbunden war, dass sein
ganzes Reden ihre alltägliche Wirklichkeit mit aufnahm – Teig,
Samenkörner, Weinberge, Brot, Feldblumen, Fische und Vögel.
Deren Kleinglauben und Anklammerung an
Gesetz- und Geboterfüllung er aufbrechen, deren Dämonen er
austreiben wollte auf dem Weg zum Herrschaft Gottes unter ihnen.
Und wo stehen wir heute, die wir uns in
seiner Nachfolge gehend begreifen, wo stehen wir nach so vielen
Jahrhunderten? Spricht uns dieses kleine Land in einer
konfliktreichen Region noch von seinen Spuren? Reden und tun wir, wie
er geredet und getan hat? Lieben wir unsere Mitmenschen mit der
Liebe, mit der er es tat? Spüren wir Gottes Nähe, die er uns zeigen
wollte? Lösen wir Fesseln des Unrechts, führen wir einander näher
zu dem Gott, der uns wie Vater und Mutter liebt, befreien wir uns
gegenseitig von Schuld?
Hoffentlich stehen wir erst am Anfang.