Über Selbstverleugnung als
Voraussetzung der Nachfolge wurde und wird viel Gegensätzliches,
viel Gutes und auch viel Quatsch geschrieben. Jesus kündigt im
Sonntagsevangelium (Mt 16,21-27) zunächst seinen Passionsweg an und
weist den Einspruch des Petrus, dass Gott so etwas doch sicher nun
wirklich nicht wolle, radikal ab.
"Darauf sagte Jesus zu seinen
Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst,
nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (v24)
Im Zusammenhang der vorhergehenden
Leidensankündigung ist diese Aussage wohl so zu verstehen, dass
jene, die ihm aufrichtig folgen wollen, das Leiden des Herrn in ihrem
Lebensweg freiwillig mitgehen sollen.
Alles nur Müll? Supermarktreste in Vitte, Hiddensee, 2017. |
Konkret wird das jeweils sehr
verschieden aussehen, je nachdem, was Leiden jeweils bedeutet – für
einen Christen in Saudi-Arabien oder China wird Jüngersein und
Nachfolge unter dem Kreuz etwas anderes sein als für eine Christin
in Mitteleuropa oder in den USA.
Christinnen und Christen, die ihr
Christsein sehr ernstnehmen und/oder auf der Suche nach ihrer
Berufung sind, werden diese Aufforderung Jesu auf sich selbst
gewendet als göttliche Herausforderung annehmen.
Davon spricht auch das Gedicht von
Andreas Knapp, das mir gerade in die Hände fiel und dieses Jesuswort
zum Ausgang hat:
jünger werden
wer mein jünger sein will, der
verleugne sich selbst und folge mir nach
jugendlich trunken
meinte ich alles zu geben
und dir egal wohin
lässig zu folgen
alt und ernüchtert
möchte ich vor allem zugeben
egal wohin ich auch gestolpert bin
bist du mir unablässig nachgefolgt1
Auch wenn ich selbst noch nicht alt
bin, habe ich doch auf meinem Glaubensweg einige Ernüchterung
erfahren und freue mich über die Umkehrung der Beweislast in diesem
Gedicht.
Denn dort, wo der Satz Jesu einem Suchenden
normalerweise zur Last wird und mancher Jesusjünger sich wohl mit
schlechtem Gewissen fragt, ob er auch genug Kreuz getragen und
ausreichend sich selbst verleugnet habe, weist Andreas Knapp auf die
Initiative Gottes hin.
Geistliches Leben ist wenig "lässig"
und viel "Gestolpere" – wer das für sich zugeben kann,
lässt Gott wahrscheinlich näher an sich heran als jene, die
verkrampft und mit viel Ehrgeiz sich selbst verleugnen wollen.
Gott nimmt uns, so lese ich das
Gedicht, die Nachfolgeverantwortung nicht ab, aber er lässt uns auf
den Irrwegen unseres Lebens eben auch nicht allein.
Auf diese Weise wird er zum gütiger
Verfolger, der uns vermeintlich Nachfolgenden treu hinterhergeht,
auch dort, wo wir wie Petrus unseren eigenen Willen für den Willen
Gottes halten.
Unter dem Vorzeichen eines solchen
Gottesbildes gelesen löst sich die Nachfolgeverkrampfung und
dankbare Liebe zu Gott dem Verfolger kann wachsen.
Gelöste Verkrampfung. Pomnik Katynski im Ogrod Zamkowy, Poznan, 2014. |
1 A.
Knapp, Heller als Licht. Biblische Gedichte. Würzburg 2014, 55.