Samstag, 19. Oktober 2013

Lange bitten. Oder: Gesprächsbereitschaft bei Flüchtlingsprotesten

Das Sonntagsevangelium (Lk 18,1-8) ermuntert zum Bitten. Doch nicht der bittenden Witwe gilt das Hauptaugenmerk des Evangelisten, sondern dem ungebeten Gebetenen.
Ohne dass der Mann, der sich verschließt, endlich beginnt zuzuhören, kommt keine der beiden Personen weiter: Nicht die an ihrem ungeklärten Schicksal leidende Bittstellerin vor dem Hause des faulen Richters und nicht dieser pflichtvergessene bedrängte Mann selbst.

Jesus versichert seinen Hörern, dass Gott fürsorglicher ist als jener.
Doch es scheint heute bitter nötig zu sein, diesen Text auch von der anderen Seite her zu denken. Schließlich sitzen auf unseren Straßen dieser Tage immer wieder Flüchtlinge, die nach der lebensgefährlichen Flucht aus ihrer Heimat nun in Deutschland auf ihre weitgehend rechtlose und menschenwürdige Situation aufmerksam machen. Das Gefühl einer ausweg- und hoffnungslosen Lage ohne die Chance, auch nur einen erfolgversprechenden Asylantrag in diesem reichen Land stellen zu können, lässt sie brutale Protestformen suchen - im aktuellen Fall in deutscher Kälte auf dem Pariser Platz in  Berlin auszuharren ohne zu essen oder zu trinken.

Selbst bei radikalen Protesten bilde erst das Gespräch die Basis für eine Lösung.“ (Frido Pflüger SJ im domradio Köln). Dass sich inzwischen gesprächsbereite Verantwortungsträger in Berlin gefunden haben, lässt immerhin im akuten Fall hoffen.
Aber die ungeklärte Situation derer, für die kein anderer Weg mehr übrig zu bleiben schien als nach dem Verlassen von Heimat und Familie nun in Hungerstreik zu treten, bleibt skandalös. Wie viel Härte glaubt unser politisches System mit Arbeitsverbot und Residenzpflicht zeigen zu müssen?
Lange Zeit wollte er nicht“ sagt das Evangelium über den Richter. Er hat sich der Bittenden schließlich angenommen (um vom unrühmlichen Motiv der Angst vor körperlicher Gewalt zu schweigen).

Hoffen wir, dass auch die politisch Verantwortlichen, sei es im europäischen Kontext oder im nationalen, ihre Verantwortung für die erkennen, die an unserer Tür klopfen.
Von der moralischen Entrüstung zurück zur Intention des Evangeliums - was für ein Vorbild könnten uns diese tapferen Flüchtlinge sein in unserer Gottesbeziehung!
Nicht in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, wohl aber in Selbsteinsatz und Beharrlichkeit.
Gott ist bereit zum Hören.