Inzwischen bin ich versöhnt und sehr
froh mit der jetzigen Ausrichtung meines Lebens. Das war nicht immer
so klar.
Knapp zehn Jahre meines Lebens hatte
ich der Vorbereitung auf ein kirchliches Weiheamt gewidmet – um
nach Studium mit Ausbildung im Priesterseminar sowie Noviziat und
Magisterium in der Gesellschaft Jesu schließlich zu
heiraten und Vater zu werden.
Dieser äußere Weg ist mit vielen
inneren Wandlungen verbunden, die ich an diesem Ort einmal
reflektieren will.
Marien-Kapelle in der Abtei Königsmünster, 2015. |
Die Frage nach dem ehelosen Leben in
einer Ordensgemeinschaft hat eine große Faszination auf mich
ausgeübt, wenngleich diese Faszination immer eingebettet war in den
größeren Wunsch nach dem Dienst für Gott und die Menschen. Sich
ganz in die Hand Gottes legen, von einem Nachfolger der Apostel
gesandt und zum "Verwalter der Mysterien", wie es im
Weihegebet heißt, gesalbt - was für ein Anspruch.
Daneben habe ich oft das Ungenügen
eines solchen Lebensentwurfs für mich persönlich gespürt. Das
Hingezogensein zum anderen Geschlecht und die Sehnsucht nach
Vaterschaft ließ sich letztlich nicht in diesen Lebensentwurf
integrieren.
Die Binsenweisheit, dass nicht jede
menschliche Sehnsucht in jedem Lebensentwurf Platz findet, habe ich
persönlich durchlebt.
Nach meinem Austritt und dem Eingehen
einer Beziehung wiederum habe ich einige Zeit gebraucht, um die
Sehnsucht nach dieser ehelosen Lebensausrichtung wieder los zu
werden. Es ist ja nicht so, als ließen sich die Prägung und die
Gewohnheiten, der Lebensalltag und die Prioritäten auf einmal
umkrempeln, als könnte einer alles wieder loswerden, was sich über
die Jahre entwickelte. Der über lange Zeit selbst gewählte Verzicht auf
eine exklusive Beziehung und das Leben in einer Ordensgemeinschaft kann
auch Früchte im Eheleben tragen, wenn es beispielsweise um die Frage
des zurücktretenden Verzichtens selbst oder um das Aufeinander-Hören
geht.
Wenn ich in den letzten Jahren eine
Priesterweihe besucht habe, stellte sich mir regelmäßig die Frage,
wie es wohl wäre, jetzt selbst dort unter den Händen des Bischofs
zu knien und zum Dienst am Wort und an den Sakramenten für die
Gemeinde Gottes geweiht zu werden. Wehmut war das mindeste, was mich
überkam, da ich ja selbst längst "dran gewesen" wäre.
Dazu kam die Frage, wie es wäre, im
Namen Christi für die Gemeinde das Brot zu brechen, Sünden zu
vergeben, Gottes Segen zu spenden, das Wort auszulegen. Meine
Ausbildung würde es ja nahe legen und ich würde es wirklich gern
tun.
Schilder. Sanktuarium der Göttlichen Barmherzigkeit, Warschau, 2015. |
Nun war ich am letzten Wochenende
wieder bei der Priesterweihe dreier ehemaliger Mitbrüder aus der
Gesellschaft Jesu. Es war bis auf die Predigt eine ansprechende
Feier, würdig inszeniert in St. Michael in München.
Trotzdem habe ich dabei und bei der
Primiz am nächsten Tag festgestellt, dass ich nicht mehr den Wunsch
habe, jetzt selbst dort zu stehen, um dann mit meinen Händen das
Brot zu brechen und die Wandlungsworte zu sprechen. Dass unter meinen
Händen das Brot substanziell zum Leib Christi wird, dieser lang
gehegte Wunsch erschien mir nun so weit weg.
Das hat auch und vielleicht in erster
Linie damit zu tun, dass ich nun ein Kind habe. Das hat meinem Leben, und
so sehen es ja sicher viele junge Eltern, eine völlig andere
Richtung gegeben. Natürlich ist der Alltag mit Kleinkind anstrengend
und mühsam, intellektuell oft weniger anregend als die Gespräche in
einer Jesuitenkommunität, im Eheleben will vielerlei ausgehandelt
werden und die Rückzugsräume sind beschränkter geworden.
Es mag auch nicht die Kraft der
Verwandlung sein, die einem Priester anvertraut wurde.
Aber doch ist da diese hier auch schon
mehrfach ausgebreitete Erkenntnis, dass da mit meinem Zutun etwas
völlig Neues in die Welt getreten ist, ein Mensch, für den ich
verantwortlich bin und der ohne seine Eltern zunächst völlig
hilflos wäre, für den ich einstweilen Tag und Nacht da sein muss
und den wachsen zu sehen das Großartigste ist, was mir in meinem
Leben passiert ist.
Da gebe ich zu, dass ich kein Priester
sein möchte und mir auch bei einem möglichen Wegfall des Zölibates
aus rein familienpraktischen Gründen sieben bis zehn Mal überlegen
würde, diesen Weg dann auch zu gehen.
Wenn Jesus unter seinen Jüngern
Menschen sucht, die um des Himmelreiches willen ehelos leben (vgl. Mt
18,12), dann kann ich inzwischen für mich sagen, dass ich zu diesen
in die Ehelosigkeit Berufenen nicht gehöre. Ich bin froh, dass es
solche Menschen gibt, die sich voll in Dienst nehmen lassen und so
brennen, dass keine Familie ihnen genügen würde.
Mein Engagement für das Reich Gottes
auf dieser Erde vollziehe ich nicht mit geweihten Händen. Aber
ich hoffe, dass sein Leben auch durch mein Leben und Tun sichtbar
wird und nehme mir die Worte Pauli zu Herzen:
"Strebt nicht über das hinaus,
was euch zukommt, sondern strebt danach, besonnen zu sein, jeder nach
dem Maß des Glaubens, das Gott ihm zugeteilt hat. Denn wie wir an
dem einen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben
Dienst leisten, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, als
einzelne aber sind wir Glieder, die zueinander gehören. Wir haben
unterschiedliche Gaben, je nach der uns verliehenen Gnade."
(Röm 12,3-6)
Puppe im Licht. Comenius-Garten, Rixdorf, Berlin, 2015. |