Zwischenmenschlicher Kontakt, Gespräch, Begegnung, Beziehung stellen darum die Elemente dar, die menschliches Miteinander prägen. Gelungene Kommunikation führt zu zwischenmenschlicher Gemeinschaft (Communio). Kommunikation verdichtet sich in ausgezeichneter Weise im Geben und Wieder-Geben. Dadurch, dass jemand eine Gabe gibt und ein anderer wieder gibt, konstituieren sich soziale Beziehungen.
In
philosophischer Konsequenz lassen sich (im Anschluss an Marcel
Mauss1)
einige Eckpunkte des Verständnisses für dieses „soziale
Totalphänomen“ der Gabe formulieren:
(a)
Indem Menschen durch das wechselseitige Austauschen von Gaben
miteinander in Beziehung treten, konstituiert sich nicht nur eine
materielle, sondern auch eine ideelle Veränderung. Anstatt sich
gegenseitig zu bekämpfen, fördert die Gabe ein friedliches
Miteinander der beteiligten Personen und Gruppen.
(b)
Die ideelle Veränderung reicht aber noch weiter: Denn in der Gabe
ist der Geber in gewisser Weise gegenwärtig. Die Gabe nämlich
verweist immer zurück auf den Geber, erinnert an ihn, lässt ihn
anwesend sein. Letztlich gibt und offenbart er zu einem Teil sich
selbst in dem, was er gibt. Gebende Person und gegebene Sache
verweisen darum wechselseitig aufeinander.
(c)
Gaben sind auf Gegenseitigkeit hin orientiert. Die angemessene
Antwort auf eine Gabe ist eine Gegen-Gabe. Das beinhaltet zunächst
einmal einen ökonomischen Aspekt, nämlich die Tauschgerechtigkeit,
geht aber darüber hinaus. Denn eine wirkliche Gabe ist (nicht
Bezahlung, sondern) freiwillig. In freier Großzügigkeit offenbart
sich der Charakter des Gebenden und seine Communio-Bereitschaft.
Theologisch
wiederum kann daran anknüpfend gesagt werden:
(a) Aus christlicher Sicht ist
letztes Ziel des Menschen die lebendige Gemeinschaft mit Gott. Um
dieses Ziel erreichen zu können, hat Gott jeden Menschen in
verschiedener Weise begabt. Menschliche Begabungen und Fähigkeiten
können also aus christlicher Sicht ein Hinweis sein auf die
jeweilige Weise des Menschen, wie er in die Gemeinschaft mit Gott
kommen kann.
(b)
Darum gilt, was Paulus schreibt: „Was
hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfangen
hast, warum rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“
(1Kor
4,7). In der gott-menschlichen Beziehung ist Gott immer der
Erstgebende. Seine Gabe ist ultimative Vor-Gabe. Bei allen menschlichen Gaben an Gott kann es sich nur um Wieder-Gaben handeln.
(c) Zugleich beinhalten diese
Gaben Gottes eine Aufgabe an den Menschen (s. das Talente-Gleichnis,
Mt 25,14-30). Der Mensch soll weitergeben, was er selbst empfangen
hat (vgl. 1Kor 11,23). So erhalten die Gläubigen z.B. die Gaben des
Heiligen Geistes, damit sie anderen nützen, damit die Gemeinde
auferbaut wird (1Kor 12,7; 14,12). Gott begabt uns – damit wir
geben können.
(d) Die gemeinsame Feier des
Mahles, die Eucharistie, schließlich ist klassischer Ausdruck der
gegenseitigen Gabe Gottes und der Menschen. Menschen bringen ihre
Gaben von Brot und Wein und in diesen Gaben die ganze Welt vor Gott,
damit Gott sie verwandelt. Durch den Heiligen Geist schenkt Gott sich
in der Erinnerung an Jesu letztes Mahl. Gott selbst wird auf diese
Weise die Gabe, die die Gläubigen empfangen. Das ermutigt sie,
ebenso zur Gabe zu werden und so bitten sie:
Christus „mache uns auf immer zu einer Gabe, die dir [Gott]
wohlgefällt“ (3. Hochgebet). Das in der Feier eingeübte Geben und die empfangene Gabe sollen im Alltag
fruchtbar werden für die Anderen – also wiederum: das Empfangene
weitergeben.
(e) Der christliche Terminus
dafür lautet: Liebe. Gottes Gabe an die Menschen ist seine Liebe - das zeigt er in der Lebens-Hingabe für uns, seine Freunde (Joh 15,12f). Und er beauftragt uns wiederum, ihn und einander zu lieben (Mt 22,37ff). Dementsprechend lautet die „Definition“ von
Liebe bei Ignatius von Loyola: „Die Liebe besteht in Mitteilung von
beiden Seiten: nämlich darin, dass der Liebende dem Geliebten gibt
und mitteilt, was er hat, oder von dem, was er hat oder kann; und
genauso umgekehrt“ [im Orig.: ...el amor consiste en comunicación
de las dos partes...] (GÜ 231).
1 Marcel
Mauss (1872-1950), franz. Soziologe und Ethnologe; Hauptwerk: Die
Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen
Gesellschaften. Frankfurt a.M. 2009. (franz. Erstausgabe
1923/24).