Der erste Schock nach den
grausigen Taten der islamistischen Terroristen in Frankreich ist
gerade vorbei. Sicherheitsmaßnahmen und öffentliche Trauer
bestimmen das mediale Bild. Zugleich versuchen der Front National und
die deutschen Pegidisten, die Angst auf ihre islamophoben Mühlen zu
leiten, während andere dem interreligiösen Dialog und sozialer
Einhegung das Wort reden.
Doch was folgt aus diesem
Exzess der Gewalt, wenn man von politischen Reden, polizeilichen
Vorsichtsmaßnahmen und religionsdialogischen Absichten absieht?
Einige unspezifische Gedanken.
1 "Damit kein Licht
uns liebe"1
So überschreibt Rose Ausländer ein Gedicht, das vielleicht auf
die derzeitige Situation passt und eine eventuelle Reaktion
einbringt.
Damit kein Licht uns
liebe
Ist es kälter geworden? "Winter"-Skulptur im Kurpark Bad Freienwalde. |
Sie kamen
mit scharfen Fahnen und
Pistolen
schossen alle Sterne und
den Mond ab
damit kein Licht uns
bliebe
damit kein Licht uns
liebe
Da begruben wir die Sonne
Es war eine unendliche
Sonnenfinsternis
Depression und Trauma, die
in Dunkel und Lieblosigkeit verborgen sind, folgen der Gewalt, die
sich da mit scharfer Fahne und mit Schußwaffen so breit gemacht hat,
dass nichts Liebenswertes mehr leuchtet. Das Licht ist abgeschossen,
die Liebe erloschen. Das zusätzliche Begräbnis der Sonne zieht die
Lage ins Bodenlose. Wenn die kleinen Lichter zerschossen werden,
taugt auch die Quelle allen Lichtes nichts mehr. So lässt die Trauer
alles zerrinnen.
Finsternis regiert, wie auch
immer sich das gesellschaftlich und politisch auswirkt.
2 Entstehung von
Wertbindungen
Ein zweiter Gang: Hans Joas
stellt in seinen Erwägungen über die Menschenrechte die "Frage,
ob Gewalterfahrungen selbst so transformiert werden können, dass aus
ihnen die Energie für positive Wertbindungen hervorgeht."2
Dies wäre das Gegenbild zu Rose Ausländer: Aus der Gewalt der
Weltkriege erwuchsen Völkerbund und die Charta der Menschenrechte.
Ob aus der Gewalt in Paris weitere Gewalt folgt oder ein um so
stärkeres Festhalten – oder gar ein neues Ergreifen
universalistischer, also alle umfassender Wert-schätzung wird, steht
heute noch dahin.
An anderer Stelle heißt es:
"Gefragt wird nach den starken Kräften einer Motivation zur
universalistischen Moral, wie sie sich aus kulturellen, etwas
religiösen Traditionen und intensiven Erfahrungen,
enthusiasmierenden ebenso wie traumatisierenden, ergeben können und
zu individuellen und kollektiven Handlungen führen."
Joas ist sicher: "In der Sakralisierung der Person liegen
solche Kräfte zur Motivation“3
Politische und religiöse Ideologien bringen ihre eigenen, anderen
Sakralisierungen wie Nation oder Rasse hervor4
– die grundsätzliche Überzeugung von der Heiligkeit menschlichen
Lebens aber ist aus historischen Gründen ein Kulturmarker des
"Westens".
Hoffentlich ist diese Perspektive auf den Menschen ein Wert, der uns auch in
Zukunft bindet und leuchtet. Denn dieses Licht ist uns nötig, seien wir
nun religiös oder nicht.
3 Gebet um Einsicht und
Ausdauer
Zu dieser Hoffnung passt die Lesung aus der heutigen
Vesper: "Wir hören nicht auf, inständig für euch zu beten,
dass ihr in aller Weisheit und Einsicht, die der Geist schenkt, den
Willen des Herrn ganz erkennt. Denn ihr sollt ein Leben führen, das
des Herrn würdig ist und in allem sein Gefallen findet. Ihr sollt
Frucht bringen in jeder Art von guten Werken und wachsen in der
Erkenntnis Gottes. Er gebe euch in der Macht seiner Herrlichkeit viel
Kraft, damit ihr in allem Geduld und Ausdauer habt." (Kol
1,9-11)
Sonnenuntergang am See Genezareth. 2013. |
1 R.
Ausländer, Aschensommer. Ausgewählte Gedichte. München 1978, 25.
2 H.
Joas, Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der
Menschenrechte. Berlin 2011, 109.
3 Ebd.,
146.