Eine liturgische Formel, die ich immer
schon faszinierend finde, ist die Große Doxologie am Ende des
Eucharistischen Hochgebets. Nach der Erinnerung an die Heilstaten
Gottes in der Geschichte, nach der Einreihung in die weltumfassende
Christenheit, nach der Vergegenwärtigung der himmlischen Kirche und
nach der Hoffnungsbitte für die Verstorbenen, wenn also alle und
alles im Geiste vor Gott gebracht wurde, dann spricht der Priester
als dankenden Abschluss all dessen im Blick auf Jesus Christus:
"Durch ihn und mit ihm und in
ihm ist Dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen
Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit."
Feiergesellschaft. Lübbenau, Spreewald, 2015. |
Zugleich mit der Faszination klingt der
Satz mir immer unverständlicher, je öfter ich ihn höre, denn was
es mit durch", "mit"
und "in" (ich bleibe, der lateinischen /
griechischen Philologie zu wenig kundig, beim Deutschen) in Bezug auf
Christus und Gott nun genau auf sich hat, verschwimmt doch hinter
einem wohlmeinend verbindenden "Gott-Vater und Jesus und wir in
Ewigkeit Amen".
diesen drei Präpositionen "
Darum also zwei Gedanken dazu:
1
Biblisch wird Gott der Vater
beschrieben als der, der "über allem und durch alles und in
allem ist" (Eph 4,6), also als gleichzeitig transzendent und
immanent, allem enthoben, alles überragend und zugleich allem
innewohnend, alles durchdringend.
Der sogenannte "Grabspruch des
Loyola", der im 17. Jahrhundert in einer Jesuiten-Festschrift zu
finden ist und als Vorspruch Hölderlins zu seinem "Hyperion"
dient, lautet demgemäß auch:
"Nicht begrenzt werden vom
Größten
und dennoch einbeschlossen sein vom
Geringsten,
das ist göttlich."1
Gott kann also genannt werden einer,
der über alles hinaus und in allem verborgen ist.
Demgegenüber heißt es von Jesus
Christus, dass "in ihm" und "durch ihn und
auf ihn hin" (Kol 1,16) alles geschaffen wurde, und dass
zugleich Gott "mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen"
(Kol 1,19) wollte. Die Schöpfung durch den Logos ist ein zumeist mit
dem Johannesevangelium
verbundener Gedanke, aber auch hier zeigt sich: wenn die Schöpfung
"durch" Christus gemacht ist, kann sie auch "durch"
Christus den Schöpfer loben.
"Durch" und "in"
werden also schon in verschiedener Weise auf das Verhältnis Gottes
(des Vaters und des Sohnes) zur Schöpfung und auf das innergöttliche
Verhältnis angewendet.
2
Die Gegenwart Christi in den
Mahlgestalten von Brot und Wein auf dem Altar wird zum Anlass
genommen, um nach dem Dank und den Bitten des Hochgebets in der
Gegenwart Christi den Vatergott, der all das schenkt und ermöglicht,
abschließend feierlich zu loben – woraufhin die Gemeinschaft mit
ihm im symbolischen Mahl in intimster Weise vollzogen wird.
DURCH Christus wird die Dreifaltigkeit
gepriesen – laut Duden
gibt die Präposition "durch" u.a. die
"vermittelnde, bewirkende Person, das Mittel, den Grund, die
Ursache an".
Der in der liturgischen Feier anwesende
Gottessohn ist ebendas – zuerst mittelnd den Lobpreis bewirkende
Person, dann aber auch Grund der Verherrlichung und Ursache des
Lobpreises. Vermittels seiner Stellung als Gott-Mensch, eine Stellung
in der Mitte der Welt, in welcher er zum Mittler wird, können wir
"durch" ihn beten.
MIT Christus ist Gott-Vater und
Heiligem Geist Herrlichkeit und Ehre – als menschgewordener Gott
ist er Adressat und Absender in einem. Nicht nur dem
all-transzendenten Gott in den Höhen und dem überall schwebenden
Geist wird das Lob gesungen, sondern "mit" ihnen
auch Ihm, dem Sohn. Er ist der Gott mitten unter uns und "mit"
uns, der Immanuel. Aber zugleich ist er "mit" seiner
auferstandenen Menschlichkeit schon angekommen im Himmel und kann darum "mit"
verehrt werden.
IN Christus können die Christen Gott
lobsingen – denn nicht nur Brot und Wein zeigen seine Gegenwart an,
sondern auch die feiernde Gemeinde selbst stellt den "Leib
Christi" dar, "in" dem die Feiernden sind.
Und wenn man, wie oben erwähnt,
hinzuzieht, dass Gott "in" seinem menschgewordenen
Sohn wohnen will, wird verständlich, dass dieses in-in genau das
darstellt, was im Verzehr des eucharistischen Brotes geschieht: im
Brot empfangen die Gläubigen Christus, und in ihm Gemeinschaft mit
dem Vater.
Himmel über St. Dominicus, Gropiusstadt, Berlin, 2014. |
1 Vgl.
zum Text, zur Geschichte und zur Deutung A. Keller, Uns vom Größten
nicht eingegrenzt und deshalb im Kleinsten ganz zu finden, das ist
göttlich. Zu Hölderlins "Hyperion" und ignatianischer
Gesinnung. In: GuL 1975 (48), 327-340.