Samstag, 28. Februar 2015

Wochenostern!

Wenn ich meine Schülerinnen und Schüler frage, warum an den Sonntagen in der Fastenzeit nicht gefastet wird, ist meist nicht bekannt, dass oder gar warum das so ist. Auch Erwachsene halten das "Fastenbrechen" am Sonntag oft für inkonsequent oder eine fast schon unmoralische Erleichterung – wenn sie fasten, möchten sie ihr Experiment lieber ununterbrochen "durchziehen".
Dabei hat die Fastenzeit offiziell 40 Tage und wer vom Aschermittwoch ab rechnet, wird feststellen, dass es bis Ostern 46 Tage sind, die sechs Fastensonntage also nicht als Fasttage mitgezählt werden.
Warum aber wird sonntags nicht gefastet?

Stehende. Georg-Kolbe-Museum,
Charlottenburg, Berlin, 2015.
Wer sich an die Bedeutung des Sonntags erinnern will, dem geht es, wie wiederum auch meinen Schülerinnen und Schülern, wohl oft so, dass der Ruhetag nach Gottes Schöpfungswerk ein bekanntes Thema ist. Nicht zu arbeiten, weil Gott es nicht tat, ist einsichtig. Auch der Auszug aus Ägypten als von der Knechtschaft befreiender Sabbatgrund ist bisweilen bekannt.
Dass wir als Christen den Sonntag aber in erster Linie feiern, weil ein neutestamentliches Ereignis, nein, DAS Ereignis im Neuen Testament erinnernd begangen wird, gerät nach meiner Erfahrung etwas aus dem Blick.

Denn jeden Sonntag feiern wir nicht nur Advent, sondern auch Ostern. Selbst in der "vorösterlichen Bußzeit", der Vorbereitungszeit auf Ostern, wird Ostern selbst jeden Sonntag gefeiert.

Im Evangelium des heutigen Sonntags wird das besonders deutlich. Die Bergtour, die Jesus mit einigen Jüngern unternimmt, zeigt den Jüngern schon mitten im Leben des Rabbis aus Nazareth seine wahre Herkunft, Gegenwart und Zukunft. In der Verklärung zeigt sich der vorgreifende Glanz der Auferstehung. Es ist das Leben der Herrlichkeit, die erfüllte Zeit, die Jesus bringt, Jesu Stehen in der Tradition der Propheten und Führer Israels, das ewige Leben als Sein mit dem Gott der Lebenden (Mk 12,27), die letzte Verwandlung und Durchleuchtung allen Lebens mit Gott selbst.

Jeden Sonntag können wir in der Liturgie schon eintreten in diese erfüllte Zeit, wenn sich in der manchmal doch recht tristen Gestalt unserer Sonntagsgemeinden der Himmel über allen öffnet und Gott uns wie Jesus auf dem Berg der Verklärung zusagt:

"Ihr seid meine geliebten Kinder, die ich niemals ins Nichts fallen lasse. Ihr seid mir so wertvoll, dass ich Euer Leben mit dem Leben meines Sohnes bereichern und erfüllen will, bis ich euch am Ende ganz in mein Leben hineinziehe. Den Vorgeschmack dessen schenke ich euch in der Feier der Auferstehung, die die Auferstehung in ein gänzlich anders-neues Leben ist, in mein Leben. Ihr tretet ein in dieses Leben, wenn ihr mich hört in meinem Sohn, wenn ihr mich empfangt in seinem Leib und Blut und wenn ihr die Versöhnung, die ich schenke, in eurem Leben Früchte tragen lasst."

Wer das ansatzweise spürt, wird feiern und kann nicht fasten.

Aufsteigend. St. Nicolai, Wismar, 2014.