Aus aktuellem Anlass ein Gedanke zu
Fronleichnam, dem Hochfest der Eucharistie, des Abendmahls, des
Leibes und Blutes Jesu Christi.
Mir scheint immer mehr, dass
elementarer und zentraler Bestandteil sowohl mündig-verantwortlichen
Menschseins als auch reifer Gottesbeziehung ein Prozess
wechselseitigen "sich einander Auslieferns" ist.
Himmelwärts offen, Busbahnhof Jena, 2014. |
Dies in der Weise, dass ein solcher
Mensch mehr als sich selbst im Blick hat. Nicht für sich in erster
Linie arbeitet, spart, rafft, plant und lebt, sondern auch für
Andere. Dass er sich wenigstens teilweise aus der Hand zu geben
bereit ist, sei es in eine Partnerschaft, ins Elternsein, in eine
Ordensgemeinschaft oder sonst einen Dienst. Die Fähigkeit, sich
jemandem anzuvertrauen, sich einander zu überlassen, Kontrolle
abzugeben – ohne dabei verantwortungslos zu werden - , zu teilen.
Kurz: "die geistige Entwicklung des Menschen ist eine
Bewegung auf Selbsttranszendenz hin, eine Dynamik, über sich
hinauszugehen."1
Es ist dies die Gegenbewegung zur
"Incurvatio in seipsum", zur
Verkrümmung in sich selbst, die nur sich sieht und sich darin
abschließt.
Auch die Lebensbewegung Jesu geht eben
aus sich heraus, in Richtung
seiner Freunde und in Richtung des Vaters. Sein Schicksal führt
freilich auch vor Augen, dass dies nicht ungefährlich und belanglos
ist, sondern tatsächlich eine Auslieferung mit allen möglichen
bedrohlichen Konsequenzen sein kann. Diese Konsequenzen können auch
das Leben derer, die in der Nachfolge Jesu Christi gehen, prägen.
Nicht zufällig hat die Kirche die
Ereignisse vor Ostern, also die Auslieferung an die Feinde und die
freiwillige Lebenshingabe Jesu am Kreuz mit dem gleichen Wort
bezeichnet wie die Weitergabe des Glaubens – "traditio".
"Frucht" dieser "traditio"
ist das, was in der Eucharistie gefeiert wird – die heilvolle und
lebensspendende Gegenwart des präsenten Gottessohnes durch die
Zeiten.
Verklammert gehaltene Wand, Rixdorf, Neukölln, Berlin, 2014. |
Wenn "Tradition" in diesem
Sinne als Lebensweitergabe bestimmt werden kann,2
dann muss sie als konstitutives Element auch Liebe beinhalten. Auch
die menschliche Weitergabe des Lebens im sexuellen Akt ist
schließlich, wenigstens dem Ideal nach, ein Liebesakt, ein Akt der
Hingabe aneinander. Ganz ähnlich in den Exerzitien des Ignatius von
Loyola: hier führt der geistliche Weg in die "Betrachtung zur
Erlangung der Liebe", die sich aus Dankbarkeit speist und damit
weiterführt in die "Selbstübergabe: Aufgrund der Erfahrung
der Gabe wächst die befreite Hingabe, der Dienst."3
Reifer Glaube im Sinne Jesu würde dann
bestehen in hingebungsvoller Liebe zu Gott, in der Offenheit für die
Nächsten, im freimütigen Weitergeben (tradere) dessen, von dem
jemand überzeugt ist.
Das scheint mir Grund zum Feiern an Fronleichnam: fruchtbare,
liebevolle, lebensstiftende Auslieferung an den Anderen.
1 J.
Maureder, Mensch werden – erfüllt leben. Würzburg 2007, 66.
[Ignatianische Impulse 23]
2 Vgl.
M. Seckler, Tradition als Überlieferung des Lebens. Eine
fundamentaltheologische Besinnung. In: ThQ 4/1978, 256-267.