Was für ein Zusammentreffen! Die
größte und prominenteste öffentliche Bekundung lesbisch-schwuler
Lebenskultur, die in Berlin dieses Jahr zum Sommeranfang gleich drei Umzüge
hervorbringt, fällt auf den Gedenktag des Jesuitenheiligen Aloisius
von Gonzaga (1556-1591).
Während einerseits laut und bunt die
Lebenslust gefeiert und Toleranz für sexuelle Selbstbestimmung
gefordert werden, wird andererseits ein junger Mann verehrt, der auf
kitischigen Bildern des 19. Jahrhunderts "lebensuntüchtig,
süßlich, von keiner Leidenschaft bewegt und frömmlerisch"1
dargestellt ist.
Das Bild des Aloisius ist geprägt
durch die damaligen Vorstellungen von Keuschheit: "ein
bleicher und hohlwangiger, schwächlicher und
weltentrückter,feminin wirkender Jüngling, der mit
verklärt-entzücktem Blick auf ein Kreuz oder die Jungfrau schaut."2
Ein stark verzerrtes Bild.
Straßenszene mit Schaufel, Neukölln, Berlin, 2014. |
Weltverzicht und Hingabe an die Kranken
hier – Sinnenlust und Hingabe an das Leben da: sehen so die
Widerparts von Kirche und Welt heute aus?
Oder muss nicht vielmehr betont werden,
dass auch der Christopher Street Day vielschichtiger ist als seine
Wahrnehmung als Zurschaustellung homosexueller Sexualität –
nämlich auch politisches Statement und Kampf um Anerkennung eines
eigenen Lebensweges gegen gesellschaftliche Normen? Hier wie da eine emanzipative Bewegung!
Und dass die inhaltliche Nähe der
Schwulenszene zu Aloisius als dem Patron der AIDS-Kranken größer
sein könnte als die mediale Berichterstattung glauben macht?
Vielleicht ist auch der Begriff der "Liebe"
eine Brücke zwischen diesen als so verschieden wahrgenommenen
Phänomenen – das öffentliche Bekenntnis zur eigenen
partnerschaftlichen und sexuellen Orientierung – und die
Bereitschaft, "selbstverständlich und selbstlos für den
Nächsten"4
zu wirken.
Wie man es letztlich auch bewerten mag
– ich finde dieses Zusammentreffen sehr faszinierend!
1 V.
Seibel SJ, Aloisius von Gonzaga (1556-1591). Trost und Hilfe für
die Kranken und Sterbenden. In: G. Hock (Hg.), Freunde im Herrn.
Heilige und selige Jesuiten. Würzburg 2011, 42f [Ignatianische
Impulse 49]; hier: 42.
2 D.
Terstriep SJ, Selig, die reinen Herzens sind. In: Jesuiten. 3/2009,
2f; hier: 2.
3 http://jesuiten.at/index.php?id=198&tx_sihistory_pi1[uid]=32&cHash=1a83f3277188f2f1a5c7e89b5b318e9e,
abgerufen am 21.06.2014.