Samstag, 28. Juni 2014

Apostelfest Petrus und Paulus - Erwartetes und Übererwartetes

Wenn Petrus und Paulus als "Apostelfürsten" bezeichnet werden, dann sind sie, wörtlich verstanden, die "ersten Gesandten" – und zwar nicht im chronologischen Sinn, sondern in ihrer Bedeutung.
Als "bedeutende" Gesandte sind zu etwas gesandt, so wie alle Christen, ja wie alle Menschen.

Kirche auf dem Feldberg,
Schwarzwald, 2013.
In der Lesung heißt es: "Was ich habe, das gebe ich Dir." (Apg 3,6) – was Petrus dann gab, war zwar nicht das, was sich der behinderte Bettler erwartet hatte, aber es war das, was er brauchte.
Er bekommt, was der Andere hat, nicht mehr und nicht weniger. Und das ist in seinem Fall Heilung im Namen Jesu Christi.

Denn die Kirche ist die Gemeinschaft, die das Geschenk Gottes an die Menschheit – Jesus Christus – weiterschenken soll.
Dazu ist sie gesandt. Dazu wirkt in ihr der Heilige Geist, der die Herzen der Menschen erweckt und sie bewegt, von Gott zu sprechen.

Durch den Heiligen Geist schenkt sich Gott jeder Menschengeneration von neuem. Dort, wo Menschen aus Christus leben und von ihm Zeugnis geben, wo sie ihn feiern und loben, dort ist er selbst gegenwärtig im Heiligen Geist. Und das ist immer mehr als erwartet.

Nicht jeder Mensch ahnt diese Gegenwart Gottes in seinem Leben – wie bei Petrus klaffen Anspruch und Erfüllung hier, wie auch in anderen existenziellen Fragen, auseinander.
Martin Walser schreibt über diese Erwartung:
Eingang zum Kirchenanbau, St. Johann Baptist
Kronenburg, Eifel, 2013
"Ich glaube, dass es da eine Spannung gibt, die bei Theologen genau so existiert wie bei Schriftstellern oder Politikern oder Lehrern usw. Die Spannung zwischen dem, was von dir erwartet werden darf, und dem, was du über diese Erwartung hinaus oder gegen diese Erwartung lieferst. Die Welt entspricht uns nicht, habe ich gelesen, wir sollen ihr entsprechen. Ich habe ein Leben lang dieses Gebot, entsprechen zu müssen, ertragen und erfüllt. Und die Umwelt hat mich immer danach beurteilt, wie sehr oder wie wenig ich dem entsprochen habe, was sie von mir erwartet hat."1

Ob sie daran Recht tut, sei dahin gestellt. Ob die Erstgesandten Petrus und Paulus immer dem entsprochen haben, was ihnen aufgetragen war und wozu sie gesandt waren, kann nach der biblischen Überlieferung auch stark bezweifelt werden.

Aber die Kirche ist da. Die Botschaft Jesu ist da. Das Geschenk Gottes wird Tag für Tag weiter gegeben. Denn Gott wird lebendig, wenn Menschen sich gegenseitig teilhaben lassen an dem Heil, das sie erfahren haben. Wenn sie, wie Paulus im 1. Korintherbrief sagt, weitergeben, was sie empfangen haben (15,3).
Solches Weiterschenken des Empfangenen zeichnet nicht nur die Apostel aus, es eignet jedem Christen und der ganzen Kirche.
Das Leben der Christen ist wie das Weiterschenken eines kostbaren Geschenkes. Sei es erwartet oder nicht.

Lichtspender, U-Bahnhof Messe Nord / ICC, Charlottenburg, Berlin, 2014.


1   Martin Walser, Das dreizehnte Kapitel. Reinbek bei Hamburg 1. Aufl. 2012, 182.