Am christlichen Verständnis von Gott
halte ich eine Reihe von Dingen für zentral. Ehrlich gesagt ist der
Glaube an Gottes Dreifaltigkeit (am Sonntag nach Pfingsten Inhalt
katholischer Besinnung) bei mir eher in der zweiten Reihe
angesiedelt.
Was dagegen vorn steht: Der eine Gott,
der geglaubt wird als ein anwesender und mitgehender Gott. Der
überströmende Liebe ist. Ein Befreier. Der nur geglaubt werden kann
als unbegreiflich und menschliches Denken sprengend – das Wort
"Gott" "überanstrengt uns, es mag uns gereizt
machen ob der Ruhestörung in einem Dasein, das den Frieden des
Übersichtlichen, Klaren, Geplanten haben will."1
Das ist mir zentral.
Leere Bühne, Lido, Venedig, 2012. |
Bezüglich der Erkenntnis Gottes
scheint mir die so genannte "analoge" Gotteserkenntnis sehr
plausibel. In einer Ausstellung fand ich einen Satz, der das gut
beschreiben kann: “Das Sichtbare bezeichnet nur die Ränder
eines unendlich Unsichtbaren.“ (Rita Bischof)
Theologisch gegen den Strich lese ich darin: Ein Gott, der in der Welt entdeckt werden kann. Seine Ränder können wir immerhin fassen. Aber zugleich eben nur die Ränder. Analog meint hier: Radikale Unterschiedenheit Gottes von der Welt, aber zugleich lassen sich seine Spuren in ihr finden. Wenn wir die Linien dieser Welt immer weiter ausziehen, können wir Gottes Wesen zwar nicht wissen, aber ahnen.2
Theologisch gegen den Strich lese ich darin: Ein Gott, der in der Welt entdeckt werden kann. Seine Ränder können wir immerhin fassen. Aber zugleich eben nur die Ränder. Analog meint hier: Radikale Unterschiedenheit Gottes von der Welt, aber zugleich lassen sich seine Spuren in ihr finden. Wenn wir die Linien dieser Welt immer weiter ausziehen, können wir Gottes Wesen zwar nicht wissen, aber ahnen.2
Doch was lesen wir redlicherweise aus
der Welt heraus – die Hoffnung eines guten Gottes? Eine solche
Aussage muss wohl meist gegen die Strukturen der Welt, wie sie nun
einmal ist, gelesen werden.
Und dann, wichtiger: Lesen wir die Einheit der einen Welt als
Hinweis auf den einen Gott?
Wir brauchen, so glaube ich, die
Annahme von einer Welt, sei sie auch perspektivisch mehrfach
gebrochen und plural. Wir könnten gar nicht vernünftig denken,
würde ein umfassender Zusammenhang, der unsere verschiedenartigen
Erkenntnisweisen eint, fehlen. Ließen sich unsere unterschiedlichen
Wissensgebiete nicht aufeinander beziehen, fiele unser Weltbild
auseinander. (Nach meiner Kenntnis ist dies auch der Hintergrund der
Probleme, welche die in sich schlüssigen physikalischen
Wissensgebiete von Quantentheorie und Relativitätstheorie haben, die
derzeit keine universale Welterklärungshypothese bieten können,
weil ihre Ergebnisse sich nicht konsequent aufeinander beziehen
lassen.)
Theologisch gewendet: wenn Gott, dann
der eine, als Grund unserer Welterkenntnis. Verlören wir diese
Einheit, dann ist der Mensch, mit Karl Rahner, "nicht mehr
vor das Ganze der Wirklichkeit als solcher und nicht mehr vor das
eine Ganze seines Daseins als solchen gebracht."3
Doppelt geschlossenes Fenster, Poznan, 2014. |
Zugleich ist die Welt aber vielfältig,
inhomogen, nicht geschlossen, ungerundet und plural. Verweis auf den EINEN Gott, der in sich auch diese VIELHEIT hat. Die
verschieden-schillernd-uneine Welt, die den in sich vielgestaltigen
Gott spiegelt.
Ein Gott wie ein erratischer Block
würde es uns einfach machen, wir müssten nur Zuflucht zu seiner
Eindeutigkeit nehmen und wären viele Probleme der Vielheit los. Der
christlich-dreifaltige Gott dagegen kann auch in der
mehrdeutig-unübersichtlichen Gegenwart Orientierung bieten ohne das Viele aufzuheben.
Thomas Philipp, Hochschulseelsorger in
Bern, hat in seinem Buch, wie heute Glauben dreifaltig möglich sei,
eine Antwort versucht: Gott begegnet dem Menschen im "unbegreiflichen
Horizont seines Daseins", in "der Erfahrung, im eigenen
Innersten unbedingt gerufen zu sein", schließlich in "der
Begegnung mit dem menschlichen Gegenüber".4
Natürlich müssten diese Schlagworte
weiter ausgemalt werden, aber die Vorstellung von einem Gott, der
Über-Alles genauso ist wie In-Mir und ebenso In-Dir mag immerhin
eine Ahnung vermitteln, in welche der Glaube an den dreieinen Gott
weist.
Auf diese Art wiederum ist mir die
Vorstellung des einen dreifaltigen Gottes ganz nahe. Denn so
ist er anwesend, liebend, befreiend und doch unbegreiflich.
Im Gebet kommen wir ihm von den Rändern
unseres Denkens dann ganz nahe. Abschließend darum die Hymne eines
großen Theologen auf diesen Gott:
„Der Geist Gottes
ist uns ins Herz gegeben. Er erforscht und erfüllt auch die Tiefen
unseres Herzens. Er ist in uns überströmend ausgegossen. Er ist
Salbung und Siegel des inneren Menschen. Er ist die Erfüllung aller
bodenlosen Abgründe unseres Wesens. Er ist die erste Gabe und das
Angeld des ewigen Lebens. Er ist das Leben in uns, durch das wir
schon hinter den Tod gekommen sind. Er ist das Glück ohne Grenzen,
das die Bäche unserer Tränen in unseren letzten Quellen schon zum
Versiegen gebracht hat, auch wenn sie das Flachland unserer
Alltagserfahrung noch so sehr überschwemmen. Er ist der inwendige
Gott, die Heiligkeit des Herzens, sein verborgenes Frohlocken, seine
Kraft, die wundersam noch da ist, wo wir am Ende sind mit unserem
Witz und unserer Kraft. Er ist in uns, so dass wir eigentlich im
Innersten schon wissen, obwohl wir blinde Toren sind, denn Er weiß,
und Er ist unser; Er ist es, der in uns liebt, verschwenderisch
liebt, frohlockend liebt, liebt, nicht selbstisch begehrt; und diese
Liebe ist unser, denn Er ist die ewige Liebe Gottes, und Er ist
unser, Er ist unsere Liebe, obwohl wir kalte, enge, kleinliche Herzen
haben! Er ist die ewige Jugend in der verzweiflungsvollen Senilität
unserer Zeit und unserer Herzen. Er ist das Lachen, das hinter
unserem Weinen schon leise aufklingt, Er ist die Zuversicht, die
trägt"5
Sonne im Wald, bei Birkenwerder, Brandenburg, 2014. |
1 K.
Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des
Christentums. Freiburg i.Br. 1984, 60.
2 Das
mag für christliches Denken eine sehr typisch katholische Denkweise
sein: Vgl. H. Joas, Glaube als Option. Zukunftsmöglichkeiten des
Christentums. Freiburg i.Br. 2012, 51. Joas nimmt dort Bezug auf den
US-Amerikaner David Tracy, der zwischen einer "analogischen"
(katholischen) und einer "dialektischen" (evangelischen)
Weise der Gotteserkenntnis und daraus folgenden "imaginations",
Weltbildern, unterscheidet.
3 K.
Rahner, a.a.O., 57.
4 T.
Philipp, Wie heute glauben? Christsein im 21. Jahrhundert. Freiburg
i.Br. 2010, 30ff.
5 K.
Rahner, Von der Not und dem Segen des Gebetes. Freiburg i.Br. 1958,
34f.