Einer wird von seinen Überzeugungen
mitgerissen. Er fordert Veränderung, er brennt für seine Sache, zuletzt muss er sein Leben dafür lassen. Seine Inbrunst lässt die
einen verzweifeln, andere werden angesteckt. Unbarmherzig kann er
wirken, seine emotionale Tiefenbohrung aber ist getragen von der
Hinwendung zu den Menschen.
Stehender, Charlottenburg, Berlin, 2014. |
Und von der Unterordnung unter einen
Größeren.
Dieser soll wachsen, er aber will
kleiner werden – so wie heute, genau ein halbes Jahr vor
Heiligabend, die Tage langsam wieder kürzer werden.
Johannes der Täufer will aufwecken,
kompromisslos kündigt er gegen viele Widerstände das große Licht
an.
Passend zu ihm scheint mir ein Gedicht
aus Rilkes Stundenbuch, das einen solchen wahnsinnig Entbrannten
sprechen lässt:
Lösch mir die Augen aus: ich kann
dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen. 1
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen. 1
Einer, dessen Hirn und Herz in Flammen
stehen, einer, der mit seinem Blut Liebe zeigen wollte. Wie sein
großer Nachfolger, an dessen Geburtstag in der Dunkelheit wieder
mehr Licht und weniger Brand sein soll.
1 In:
R. M. Rilke, Das Stundenbuch. Leipzig 1972, 64.
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