Im Roman "Judas" von Amos
Oz steht ein bemerkenswerter Gedanke, der in unterschiedlichen
Fassungen an diversen Orten in der Literatur, der Philosophie oder in
religiösen Werken auftaucht - die Frage nach der Macht und ihren Grenzen.
Im vorliegenden Roman taucht sie auf im Kontext der politischen Probleme des Nahen
Ostens, die immer noch höchste Relevanz besitzen, wie nämlich der
Staat Israel und seine Nachbarn koexistieren könnten.
Spielplatzgerät. Rixdorf, Berlin, 2015. |
Da heißt es aus dem Mund des
Protagonisten Schmuel:
"Die Wahrheit ist, dass alle
Macht der Welt den Feind nicht in einen Freund verwandeln kann. Man
kann den Feind zum Sklaven machen, aber nicht zu einem Liebenden. Mit
aller Macht der Welt kann man einen Fanatiker nicht zu einem
aufgeklärten Menschen machen. Und mit aller Macht der Welt kann man
aus einem Rachedurstigen keinen Freund machen."1
Gerade Christen hat die Frage viel
bewegt, wie Glaube und Gottesbeziehung glaubwürdig so gelebt werden
können, dass sie überzeugen und ansteckend sind. Die Antwort lehrt
Demut - wir können es nicht mit Macht, ebensowenig, wie Gott nicht
mit Macht die Menschen retten konnte, sondern durch die liebevolle
Hingabe seines Sohnes Jesus Christus.
Dieser Tage frage ich mich in der
Situation in Deutschland und Europa, welche Macht es braucht, um die
Vorurteile und Ressentiments, die Fremdenfeindlichkeit und
Verantwortungslosigkeit, den Hass und die fanatische Unversöhntheit
zu überwinden. Welche Macht kann Frieden schaffen?
Schmuel fährt fort:
"Habe ich damit gesagt, dass
wir keine militärische Macht brauchen? Keineswegs. So etwas Dummes
würde mir nicht einfallen. Ich weiß so gut wie Sie, dass unsere
Macht, unsere militärische Macht, in jedem Moment, auch jetzt, da
wir miteinander diskutieren, zwischen uns und dem Tod steht. Die
Macht der Macht kann vorläufig unsere Vernichtung verhindern. Unter
der Bedingung, dass wir immer daran denken, jeden Augenblick, dass in
unserem Fall die Macht nur verhindern kann, sie kann das Problem
nicht lösen."2
Die Macht aber flößt per se kein
Vertrauen ein und kann Probleme nicht lösen.
Installation. Zacheta, Warschau, 2015. |
1 A.
Oz, Judas. 6. Aufl. Berlin 2015, 118.