Mittwoch, 24. Dezember 2014

Weihnachten: Gott-Vater-Sohn umarmt die Welt

Zu Weihnachten tritt der welterschaffende Gott endgültig hinter den Kulissen der Schöpfung hervor. Doch nicht als oberster Dramaturg erscheint er, sondern als Kind. Gott wird nicht nur ein Mensch, er wird ein kleiner Mensch, ein Kind, auf das wir herunterschauen.

Gala-Beleuchtung. Neukölln, Berlin, 2014.
Denn weihnachtlich heißt im Sinne Gottes ganz unten zu sein. Er selber kommt als abhängiges Kind und will geliebt werden und sich uns anvertrauen. Unseren groben Gedanken und unserer Vergesslichkeit. Unseren von Weihnachten schon gelangweilten oder genervten Ohren.
Und er sucht unsere Zärtlichkeit und unser Wohlwollen. Sucht eine neue, liebevolle Lebensweise von uns, die bereit ist, das Kind im Arm zu halten.

Darin zeigt sich im Sohn zugleich auch Gottes Vorstellung von Väterlichkeit. Weihnachten will Er uns umarmen – und Er tut es ja tatsächlich und umarmt unser Menschsein als Mensch und Gott. Als frischgebackener Vater finde ich diesen Wunsch nach Umarmungsnähe sehr natürlich und freue mich, dass Gott nicht nur zu uns gesprochen hat!

Was die Propheten wortreich verkündeten, was die Psalmisten besangen, was die Gebote als Gottes Willen an sein Volk vorschrieben – das alles wird nun wortwörtlich be-greifbar und endgültig er-fassbar, das be-rührt im Innersten und gibt der Beziehung Gottes zu den Menschen eine wahre Sinnlichkeit – so wie ja auch dieses Fest einer der am sinnlichsten erfahrbaren Feiertage ist.

Da erkennt der Mensch, der dieses Kind anschaut, sich selbst in Gott; ein Gedanke, der auch in dem weihnachtlichen Gedicht "Wer bist du"1 von Andreas Knapp anschaulich wird:

wer bist du
Licht und Treppe, Pei-Bau im DHM, Berlin-Mitte, 2014.

schon immer erwartet
wie eine große liebe
und doch ganz anders

dein name ein fremdwort
das sich selber übersetzt
hinein in unser fleisch und blut

du bist das gottgesättigte wort
und zugleich für unsere armen worte
gottes offenes ohr

von den großen klein gemacht
hast du doch
die kleinen groß gemacht

den habenichtsen dieser erde
bist du der künder
eines freien himmels

einheimisch im heiligen geheimnis
ziehst du alle zu dir hin
die sich selber in der fremde sind

angesichts deiner
leuchtet das göttliche antlitz
menschlich sichtbar

mein wahres ansehen
empfange ich
allein durch deinen blick

du schaust mich an
also
bin ich



1   A. Knapp, Brennender als Feuer. Geistliche Geduchte. 4. Aufl. Würzburg 2007, 8.