Zu Weihnachten tritt der
welterschaffende Gott endgültig hinter den Kulissen der Schöpfung
hervor. Doch nicht als oberster Dramaturg erscheint er, sondern als
Kind. Gott wird nicht nur ein Mensch, er wird ein kleiner
Mensch, ein Kind, auf das wir herunterschauen.
Gala-Beleuchtung. Neukölln, Berlin, 2014. |
Denn weihnachtlich heißt im
Sinne Gottes ganz unten zu sein. Er selber kommt als abhängiges Kind
und will geliebt werden und sich uns anvertrauen. Unseren groben
Gedanken und unserer Vergesslichkeit. Unseren von Weihnachten schon
gelangweilten oder genervten Ohren.
Und er sucht unsere
Zärtlichkeit und unser Wohlwollen. Sucht eine neue, liebevolle
Lebensweise von uns, die bereit ist, das Kind im Arm zu halten.
Darin zeigt sich im Sohn
zugleich auch Gottes Vorstellung von Väterlichkeit. Weihnachten will
Er uns umarmen – und Er tut es ja tatsächlich und umarmt unser
Menschsein als Mensch und Gott. Als frischgebackener Vater finde ich
diesen Wunsch nach Umarmungsnähe sehr natürlich und freue mich,
dass Gott nicht nur zu uns gesprochen hat!
Was die Propheten wortreich
verkündeten, was die Psalmisten besangen, was die Gebote als Gottes
Willen an sein Volk vorschrieben – das alles wird nun wortwörtlich
be-greifbar und endgültig er-fassbar, das be-rührt im Innersten und
gibt der Beziehung Gottes zu den Menschen eine wahre Sinnlichkeit –
so wie ja auch dieses Fest einer der am sinnlichsten erfahrbaren
Feiertage ist.
Da erkennt der Mensch, der
dieses Kind anschaut, sich selbst in Gott; ein Gedanke, der auch in
dem weihnachtlichen Gedicht "Wer bist du"1
von Andreas Knapp anschaulich wird:
wer bist du
Licht und Treppe, Pei-Bau im DHM, Berlin-Mitte, 2014. |
schon immer erwartet
wie eine große liebe
und doch ganz anders
dein name ein fremdwort
das sich selber übersetzt
hinein in unser fleisch und blut
du bist das gottgesättigte wort
und zugleich für unsere armen worte
gottes offenes ohr
von den großen klein gemacht
hast du doch
die kleinen groß gemacht
den habenichtsen dieser erde
bist du der künder
eines freien himmels
einheimisch im heiligen geheimnis
ziehst du alle zu dir hin
die sich selber in der fremde sind
angesichts deiner
leuchtet das göttliche antlitz
menschlich sichtbar
mein wahres ansehen
empfange ich
allein durch deinen blick
du schaust mich an
also
bin ich
1 A.
Knapp, Brennender als Feuer. Geistliche Geduchte. 4. Aufl. Würzburg
2007, 8.