Dienstag, 30. Dezember 2014

Weihnachten beginnt das Christsein neu

An Weihnachten geht der Blick auf den Anfang, besser gesagt auf den Neueinsatz der Geschichte Gottes mit seinem Volk.
Wer sich die seither stattgehabte Geschichte des Christentums anschaut, kann, wie Karlheinz Deschner eine Kriminalgeschichte darin erkennen. Auch eine "von oben" bestätigte Heilsgeschichtsschreibung ist, je nach Argumentationsgang, möglich. Möglicherweise beides.

Erblühte. Rixdorf, Berlin, 2014.
Eine schöne Alternative bietet der lyrische Versuch von Jan Twardowski, in dem zwei Zeitebenen in einander 
gehen: die des kleinen Jesuskindes und die der Jetztzeit, in der verwitterte Heiligenstatuen von einer langen Geschichte des gewachsenen Christentums zeugen. Allerdings "schimmern" diese Heiligen "sterbend wie die türkise grün".

Aber erst das Gedicht selbst:

So viele Jahrhunderte1

man pries das christentum, dass es so lange schon wuchs
mein gott so viele jahrhunderte

sogar Deine heiligen die alter regen schwarzgemalt hatte
schimmern sterbend wie die türkise grün
und es lief zur Allerheiligsten Mutter
die dem kleinen Jesus auf einer haselnuß spielte
so wahr – daß längst ohne wiederkehr

und beklagte sich ins ohr
daß es noch nicht zum guten begonnen habe


Das erwachsene Christentum in seinem Glanz und Wachstum ist erst der allerkleinste Anfang des gewaltigen Weges Gottes mit der Welt!? Noch nicht einmal richtig begonnen hat das alles?
Wie klar dann manche Dinge werden – alle Kritik und aller Triumph sind berechtigt oder nicht, erst Reaktion auf einen Anfang. Das Jesuskind in seiner passiven Unschuld ist gerade heute noch dabei zu beginnen
Bei Jeder und Jedem kann Christsein "zum guten" (neu) beginnen. Denn egal, wie verstaubt die Heiligen auch sind, unsere weihnachtliche Heiligkeit lebt vom Heute.

Treppenhaus im Neubau des Rathauses Neukölln, Berlin, 2014.

1   J. Twardowski, Bóg prosi o miłość. Gott fleht um Liebe. Ausgewählt und bearbeitet von Aleksandra Iwanowska. Krakau 2000, 37.

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