Eines staunenswerten Mannes gedenkt die
Kirche heute: des Jesuiten Francisco de Xavier.
Als einst bekanntester Missionar der
frühen Neuzeit
bereiste der gebürtige Baske von 1542 an Indien, Malaysia,
Indonesien, Japan und starb schließlich 1552 auf einer kleinen Insel
vor dem chinesischen Festland.
Beim Lesen einiger seiner Briefe lerne
ich ihn als faszinierenden Glaubensboten kennen – selbstlos,
hingabebereit, engagiert, lernwillig und idealistisch.
Zugleich ist er ganz ein Kind seiner
Zeit, angewiesen auf die portugiesischen Kolonialherren und in seinen
Briefen eine uns oft fremd anmutende Religiosität an den Tag legend
– Höllenpredigt inklusive. Auch die unbekümmert wirkenden Urteile
über die als "völlig unbelehrt, aber im Schlechten sehr
wohl unterrichtet"1
dargestellten Inder oder die ihm fast durchweg "gut
veranlagt, sittlich hochstehend und geistig rege"2
erscheinenden Japaner sind gewöhnungsbedürftig.
Unterwegs. Neukölln, 2014. |
Trotzdem ist die Deutlichkeit seiner
Kritik an bestimmten kulturellen und religiösen Traditionen, die er
vorfindet, meist äußerst erhellend und aus seiner Sicht auch
naheliegend (selbst wenn man seine Briefe an andere Jesuiten
natürlich ebenso kritisch auf ihre eigenen Intentionen hinterfragen
muss).
Denn es stellt sich heraus, dass der
Ton zwar bisweilen fremd klingt, aber der Inhalt durchaus eingängig
ist, wenn er beispielsweise seine Verkündigung sprachlich anpasst:
"Die Argumente, mit denen man diesen grobschlächtigen Leuten
kommen muss, müssen freilich andere sein, als unsere großen
Scholastiker sie anzuwenden pflegen!"3
Das Eingehen auf die konkreten Gegebenheiten und die jeweilige
Fassungskraft seiner Gegenüber ist ihm ein großes Anliegen – eine
sehr modern anmutende Form der Mission.
Auch viel Gutes findet er vor – und
kann es positiv würdigen. Wenn sich die neu bekehrten Japaner
zweifelnd fragen, warum Gottes Liebe ihnen so lange verborgen blieb,
erkennt er dies als "eines der schwersten Hindernisse auf
ihrem Wege zu Gott."4
Dementsprechend weist er sie auf ihre eigene Kultur hin und die
wertvollen Erkenntnisse, die sie ja schon hatten: "Denn das
Gute zu tun und das Böse zu meiden ist den Herzen der Menschen
eingeschrieben; darum kennen die Menschen die Gebote Gottes aus sich
selbst, ohne dass ein anderer sie darin unterwiesen hätte als der
Schöpfer aller Welten allein."5
Sein Vertrauen auf Gottes vernünftig einsichtige souveräne Macht in
den Herzen der Menschen ist (im Anschluss an Röm 2,14ff) gewaltig,
doch die explizite Bekehrung zu Jesus Christus bleibt für ihn
unabdingbare Voraussetzung für die Rettung.
Ein interessantes Beispiel für dieses
Vorgehen Franz Xavers ist die Begegnung mit einem der wenigen seiner
Meinung nach gebildeteren Brahmanen in Indien. Dieser scheint eine
von aller hinduistischen Volksfrömmigkeit gereinigte Religiosität
zu praktizieren und sieht darum in dem christlichen Missionar einen
Gleichgesinnten. So verrät er Franz Xaver auch "gewisse
Geheimnisse"6
wie eine im Wesentlichen monotheistische Überzeugung.
Das sich daran anschließende Anliegen
beschreibt der Missionar so: "Der Brahmane bat mich, ihm die
vornehmsten Glaubenssätze der christlichen Lehre mitzuteilen, und
versprach, sie niemandem zu verraten. Ich entgegnete ihm, dass ich
ihm gar nichts mitteilen würde, wenn er mir nicht das Gegenteil
versprechen wollte, jene obersten Güter des christlichen Glaubens
eifrig und öffentlich zu verkünden; dies sagte er mir zu."7
Hebehilfe. Neukölln, 2014. |
Denn statt klandestiner Arkandisziplin
erwartet der Christ Verkündigung. Und er bittet den Brahmanen, in
öffentlicher Weise Christ zu werden, statt nur im Geheimen, wie es
dieser wünscht. Als dieser aus Furcht ablehnt, heißt es: "Ich
bat ihn erneut, schon heute die Unwissenden zu lehren, einen einzigen
Gott anzubeten, ihn den Schöpfer des Himmels und der Erde, der in
den Himmeln wohnt".8
Anstatt also eine
Alles-oder-Nichts-Strategie zu fahren, wie es sonst manchmal den
Anschein hat, versucht der Jesuit, immerhin die guten Ansätze zu
nutzen.
Das gilt selbst dann wenn er in seinem
bekannten Aufschrei die europäischen Universitätstheologen
bestürmen möchte: "wie viele Seelen vom Wege des Heiles
abkommen durch ihre Schuld, wie viele Seelen verlorengehen durch ihre
Gleichgültigkeit."9
Offensichtlich treibt ihn eine riesige
Angst vor der Verlorenheit der Ungetauften um, so "dass mir
oftmals die Arme erlahmen vom vielen Taufen oder die Stimme versagt
vom unaufhörlichen Wiederholen des Glaubensbekenntnisses und der
Gebote."10
Engagement und Ausdauer sind ihm also
in keinster Weise nicht abzusprechen, selbst wenn die Motive und die
Form der Mission sich heute stark verändert haben.
Und einen letzten bemerkenswerten Punkt
möchte ich betonen, der auch heute hilfreich sein kann. Es geht mir
um das Vertrauen Franz Xavers auf die Vernünftigkeit der
christlichen Botschaft – und auf die Vernunfbegabtheit der
Menschen. Bei aller Geringschätzung der religiösen Führer11
ist er beispielsweise in Japan überzeugt: "Dieses Volk ist
zu hoher Vernunft gelangt; und wiewohl es durch seine Unwissenheit
(im Glauben) in vielen Irrtümern lebt, hat die Vernunft eine große
Geltung". Das macht ihm große Hoffnung, denn im Gegensatz
zu den Thomas-Christen, die er ohne die geringste Kenntnis ihres
Glaubens in Indien traf und die für ihn darum "mehr dem
Namen nach als in Wirklichkeit"12
Christen genannt werden könnten, rechnet er in Japan "auf
eine große Ernte [...], denn dieses Volk ist hochbegabt, voller
Verlangen, sich weiterzubilden, und vernünftiger Einsicht offen;
auch sonst hat es noch viele andere gute Eigenschaften; wir brauchen
darum kaum zu fürchten, dass Hoffnungen, die wir in dieses Volk
setzen trügen sollten."13
Leider tauchten in Japan viele
Widerstände und Probleme auf – aber wenn wir diese Einschätzung
heute als gute Voraussetzungen des Glaubens ansehen (auch wenn es
sicher noch andere gibt), dann sollten wir in unserer so genannten
"Wissensgesellschaft" immerhin gute Bedingungen für die
Verkündigung des Evangeliums sehen können.
Japanische Botschaft mit Kirschbaum. Tiergarten, Berlin, 2014. |
1 Die
Briefe des Francisco de Xavier. 1542-1552. Ausgewählt und
übertragen von E. Gräfin von Vitzthum. Leipzig 1979.
2 Ebd.,
158.
3 Ebd.,
61.
4 Ebd.,
200f.
5 Ebd.,
201.
6 Ebd.,
62.
7 Ebd.,
62f.
8 Ebd.,
63.
9 Ebd.,
55.
10 Ebd.,
57.
11 Vgl.
für Indien: 58ff; für Japan: 191f. 192f. 202f.
12 Ebd.,
45; vgl. 50.