Mittwoch, 3. Dezember 2014

Franz Xaver - Offenheit und Vernunft im Dienste Gottes

Eines staunenswerten Mannes gedenkt die Kirche heute: des Jesuiten Francisco de Xavier.
Als einst bekanntester Missionar der frühen Neuzeit bereiste der gebürtige Baske von 1542 an Indien, Malaysia, Indonesien, Japan und starb schließlich 1552 auf einer kleinen Insel vor dem chinesischen Festland.

Beim Lesen einiger seiner Briefe lerne ich ihn als faszinierenden Glaubensboten kennen – selbstlos, hingabebereit, engagiert, lernwillig und idealistisch.

Zugleich ist er ganz ein Kind seiner Zeit, angewiesen auf die portugiesischen Kolonialherren und in seinen Briefen eine uns oft fremd anmutende Religiosität an den Tag legend – Höllenpredigt inklusive. Auch die unbekümmert wirkenden Urteile über die als "völlig unbelehrt, aber im Schlechten sehr wohl unterrichtet"1 dargestellten Inder oder die ihm fast durchweg "gut veranlagt, sittlich hochstehend und geistig rege"2 erscheinenden Japaner sind gewöhnungsbedürftig.

Unterwegs. Neukölln, 2014.
Trotzdem ist die Deutlichkeit seiner Kritik an bestimmten kulturellen und religiösen Traditionen, die er vorfindet, meist äußerst erhellend und aus seiner Sicht auch naheliegend (selbst wenn man seine Briefe an andere Jesuiten natürlich ebenso kritisch auf ihre eigenen Intentionen hinterfragen muss).

Denn es stellt sich heraus, dass der Ton zwar bisweilen fremd klingt, aber der Inhalt durchaus eingängig ist, wenn er beispielsweise seine Verkündigung sprachlich anpasst: "Die Argumente, mit denen man diesen grobschlächtigen Leuten kommen muss, müssen freilich andere sein, als unsere großen Scholastiker sie anzuwenden pflegen!"3 Das Eingehen auf die konkreten Gegebenheiten und die jeweilige Fassungskraft seiner Gegenüber ist ihm ein großes Anliegen – eine sehr modern anmutende Form der Mission.

Auch viel Gutes findet er vor – und kann es positiv würdigen. Wenn sich die neu bekehrten Japaner zweifelnd fragen, warum Gottes Liebe ihnen so lange verborgen blieb, erkennt er dies als "eines der schwersten Hindernisse auf ihrem Wege zu Gott."4 Dementsprechend weist er sie auf ihre eigene Kultur hin und die wertvollen Erkenntnisse, die sie ja schon hatten: "Denn das Gute zu tun und das Böse zu meiden ist den Herzen der Menschen eingeschrieben; darum kennen die Menschen die Gebote Gottes aus sich selbst, ohne dass ein anderer sie darin unterwiesen hätte als der Schöpfer aller Welten allein."5  
Sein Vertrauen auf Gottes vernünftig einsichtige souveräne Macht in den Herzen der Menschen ist (im Anschluss an Röm 2,14ff) gewaltig, doch die explizite Bekehrung zu Jesus Christus bleibt für ihn unabdingbare Voraussetzung für die Rettung.

Ein interessantes Beispiel für dieses Vorgehen Franz Xavers ist die Begegnung mit einem der wenigen seiner Meinung nach gebildeteren Brahmanen in Indien. Dieser scheint eine von aller hinduistischen Volksfrömmigkeit gereinigte Religiosität zu praktizieren und sieht darum in dem christlichen Missionar einen Gleichgesinnten. So verrät er Franz Xaver auch "gewisse Geheimnisse"6 wie eine im Wesentlichen monotheistische Überzeugung.
Das sich daran anschließende Anliegen beschreibt der Missionar so: "Der Brahmane bat mich, ihm die vornehmsten Glaubenssätze der christlichen Lehre mitzuteilen, und versprach, sie niemandem zu verraten. Ich entgegnete ihm, dass ich ihm gar nichts mitteilen würde, wenn er mir nicht das Gegenteil versprechen wollte, jene obersten Güter des christlichen Glaubens eifrig und öffentlich zu verkünden; dies sagte er mir zu."7
Hebehilfe. Neukölln, 2014.
Denn statt klandestiner Arkandisziplin erwartet der Christ Verkündigung. Und er bittet den Brahmanen, in öffentlicher Weise Christ zu werden, statt nur im Geheimen, wie es dieser wünscht. Als dieser aus Furcht ablehnt, heißt es: "Ich bat ihn erneut, schon heute die Unwissenden zu lehren, einen einzigen Gott anzubeten, ihn den Schöpfer des Himmels und der Erde, der in den Himmeln wohnt".8

Anstatt also eine Alles-oder-Nichts-Strategie zu fahren, wie es sonst manchmal den Anschein hat, versucht der Jesuit, immerhin die guten Ansätze zu nutzen.
Das gilt selbst dann wenn er in seinem bekannten Aufschrei die europäischen Universitätstheologen bestürmen möchte: "wie viele Seelen vom Wege des Heiles abkommen durch ihre Schuld, wie viele Seelen verlorengehen durch ihre Gleichgültigkeit."9
Offensichtlich treibt ihn eine riesige Angst vor der Verlorenheit der Ungetauften um, so "dass mir oftmals die Arme erlahmen vom vielen Taufen oder die Stimme versagt vom unaufhörlichen Wiederholen des Glaubensbekenntnisses und der Gebote."10

Engagement und Ausdauer sind ihm also in keinster Weise nicht abzusprechen, selbst wenn die Motive und die Form der Mission sich heute stark verändert haben.

Und einen letzten bemerkenswerten Punkt möchte ich betonen, der auch heute hilfreich sein kann. Es geht mir um das Vertrauen Franz Xavers auf die Vernünftigkeit der christlichen Botschaft – und auf die Vernunfbegabtheit der Menschen. Bei aller Geringschätzung der religiösen Führer11 ist er beispielsweise in Japan überzeugt: "Dieses Volk ist zu hoher Vernunft gelangt; und wiewohl es durch seine Unwissenheit (im Glauben) in vielen Irrtümern lebt, hat die Vernunft eine große Geltung". Das macht ihm große Hoffnung, denn im Gegensatz zu den Thomas-Christen, die er ohne die geringste Kenntnis ihres Glaubens in Indien traf und die für ihn darum "mehr dem Namen nach als in Wirklichkeit"12 Christen genannt werden könnten, rechnet er in Japan "auf eine große Ernte [...], denn dieses Volk ist hochbegabt, voller Verlangen, sich weiterzubilden, und vernünftiger Einsicht offen; auch sonst hat es noch viele andere gute Eigenschaften; wir brauchen darum kaum zu fürchten, dass Hoffnungen, die wir in dieses Volk setzen trügen sollten."13

Leider tauchten in Japan viele Widerstände und Probleme auf – aber wenn wir diese Einschätzung heute als gute Voraussetzungen des Glaubens ansehen (auch wenn es sicher noch andere gibt), dann sollten wir in unserer so genannten "Wissensgesellschaft" immerhin gute Bedingungen für die Verkündigung des Evangeliums sehen können.

Japanische Botschaft mit Kirschbaum. Tiergarten, Berlin, 2014.

1   Die Briefe des Francisco de Xavier. 1542-1552. Ausgewählt und übertragen von E. Gräfin von Vitzthum. Leipzig 1979.

2   Ebd., 158.

3   Ebd., 61.

4   Ebd., 200f.

5   Ebd., 201.

6   Ebd., 62.

7   Ebd., 62f.

8   Ebd., 63.

9   Ebd., 55.

10   Ebd., 57.

11   Vgl. für Indien: 58ff; für Japan: 191f. 192f. 202f.

12   Ebd., 45; vgl. 50.


13   Ebd., 204.