Freitag, 18. November 2016

Donald Trump und Kaiser Augustus – Literarische Parallelen

Die Unterschiede liegen natürlich klar auf der Hand: es herrschen völlig andere politische Verhältnisse, die Stellung der beteiligten Personen und auch die konkrete Vorgeschichte unterscheiden sich deutlich. Doch die Art und Weise, wie einige Personen im Roman „Augustus“ von John Williams handeln, und wie heute Donald Trump vor und nach der Wahl auftritt, weisen starke Parallelen auf.

Das Eine und das Andere.
Kleistpark, Schöneberg, Berlin, 2015.
John Williams beschreibt aus verschiedenen zeitgenössischen fiktionalen Perspektiven, wie sich der
Dessen Gebaren angesichts von roher physischer Gewalt, öffentlicher Meinung und seiner politischen Gegenspieler ist ähnlich zwiespältig wie das von Donald Trump. 

Übergang der Macht von Julius Cäsar zu Augustus gestaltet. Zu Beginn des Romans kommt der spätere Kaiser Octavius Augustus in die Situation des politischen Umbruchs und der gesellschaftlichen Orientierungslosigkeit nach der Ermordung Caesars nach Rom und versucht, seinen ihm durch Adoption und Erbe durch Julius Caesar zugesicherten Platz einzunehmen. Als mächtiger Gegenspieler des jungen Mannes und Noch-nicht-Kaisers wird Marc Anton beschrieben.

Die persönliche Einschätzung des Begleiters Gaius Cilnius Maecenas in einem Brief hat mich doch sehr an die derzeitige Haltung Trumps nach seinem Sieg erinnert (von allen anderen möglichen Parallelen, die sich im Roman ergeben könnten, einmal abgesehen).

Cäsar war tot – getötet durch den ‚Willen des Volkes‘, behaupteten die Mörder und mussten sich doch im Kapitol gegen eben jenes Volk verbarrikadieren, das Ihnen diese Tat ‚aufgetragen‘ hatte. Zwei Tage später sprach der Senat den Attentätern seinen Dank aus, um mit dem nächsten Atemzug genau jene Vorlagen zu billigen und zu Gesetzen zu erklären, die Cäsar beantragt und für die er ermordet worden war. […] Als Cäsars Freund wiegelte Antonius das Volk gegen die Attentäter auf, hatte die Mörder aber noch am Vorabend der Iden des März zum Essen eingeladen, unterhielt sich im Augenblick der Tat angeregt mit einem von ihnen (Trebonius) und aß zwei Abende später erneut mit denselben Männern! Wieder peitschte er die Bürger auf, stiftete Sie dazu an, aus Protest zu plündern und zu brandschatzen, und billigte schließlich die Verhaftung und Hinrichtung der Rädelsführer wegen Verstoßes gegen das Gesetz. Er ließ Cäsars Testament öffentlich verlesen und sträubte sich mit allen Mitteln dagegen, es auch zu erfüllen.“1

Absichtsvoll formuliert Williams hier die fiktive Meinung eines Mannes, der in dieser Sache eindeutig Partei ist – aber die Parteilichkeit lässt sich in politischen Umbrüchen schwerlich vermeiden und ist dem Autor hier ein literarisches Mittel.
Dementsprechend muss auch die sich anschließende Frage des Maecenas im Kontext des Romans als persönliche Wertung gelesen werden:

Wie setzt man sich gegen einen Feind zur Wehr, der völlig irrational und unberechenbar ist – und der dank animalischer Energie und der Gunst der Umstände doch eine beängstigende Macht anhäufen konnte?2

Allerdings müssen sich die heutigen Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten diese Frage ebenso stellen wie alle anderen Menschen, die mehr oder weniger mittelbar mit dem zukünftigen Präsidenten dieser Weltmacht zu tun haben. 

Für die Bürger Roms klärte sich die Situation jedenfalls recht bald durch Marc Antons opportunistischen Willen zur Macht und die militärische Präsenz seiner Gegner.
Kaiser aber wurde ein anderer – womit die Parallelen zu Trump wohl auch schon wieder enden...

Spiegelungen. Körnerpark, Neukölln, Berlin, 2016.

1    J. Williams, Augustus. München 2016, 63.
2    Ebd., 64.