Und hier noch ein
Nachschlag zu meinen Gedanken an Pfingsten, die um die
Nichtdarstellbarkeit des Geistes Gottes kreisten.
Klar, das biblische Bilderverbot (Ex
20,4) erinnert uns daran, dass Gott über alle Vorstellungen hinaus
geht und mit unseren menschlichen Vorstellungen nicht zu fassen ist.
Gott ist größer – darum reichen all unsere Versuche, ihn zu
verstehen und in Worte zu fassen nicht aus. Und eine bildliche
Darstellung verbietet sich darum noch viel mehr.
Bildlos glücklich. Rixdorf, Berlin, 2014. |
Fulbert Steffensky führt den Drang,
sich ein Bild von Gott zu machen, anhand der Geschichte vom Goldenen
Kalb (Ex 32) zurück auf den Wunsch, eine Art Gottes-Garantie zu
bekommen. Mit Bildern und Worten versuchen Menschen (innerhalb und
auch außerhalb von Religionen), Gott zurechtzustutzen auf das eigene
Maß und ihn so in den Griff zu bekommen:
„Das Volk in der Wüste wollte die
Garantie seines anwesenden Gottes haben. Seine Kraft sollte gefangen
gesetzt werden im kostbaren Bild des mächtigen Stieres. Er sollte
dem Volk jederzeit zur Verfügung stehen in dem sichtbaren Bild. Und
so wurde das Bild zum Götzenbild. Das war nicht mehr der Gott der
Freiheit, der das Volk aus dem Sklavenhaus geführt und es aus dem
Meer gerettet hatte. Das war ein nach Menschenmaß berechenbarer und
handhabbarer Götze geworden.“1
Gott nicht mit Bild und Wort
letztendlich greifen und „festnageln“ zu wollen (wie es mit Jesus
im wortwörtlichsten Sinn getan wurde), ist eine religiöse
Herausforderung. Denn es bedeutet ein Offenlassen und Freihalten,
welches besonders für das Aufnehmen des Heiligen Geistes
unumgänglich ist. Ihm einen Platz freizuhalten in unserem Denken und
Vorstellen ist wohl das entscheidende christliche Moment, das
Menschen davor bewahren kann, den Glauben zu einer Ideologie werden
zu lassen.
Die religiöse Sehnsucht, die sich
bisweilen bloß als Überzeugung, dass da „etwas“ über uns ist,
artikuliert, entspricht auch mindestens zu einem Teil dem, was die
negative Theologie als Schweigen über Gott (und seine Attribute)
bezeichnet. Denn Menschen ohne Religion, die auf einer religiösen
Suche sind, stellen sich Gott möglicherweise lieber nicht vor und
nutzen eventuell noch nicht einmal dieses Wort für ihn, schon gar
nicht denken und suchen sie mit den alten und oft missbrauchten
Bildern der Christen. (Wo sie es doch tun und zu einem christlichen
Gedanken Gottes kommen – um so schöner!)
Wenn diese Art von Zurückhaltung aus
Ehrfurcht vor der Größe Gottes entspringt, würde sie sich genau
mit dem unter dem ersten Gedanken Beschriebenen decken.
Denn das sind Menschen, die zwar von
der Kirche nichts wissen wollen, wohl aber auf religiöser Suche
sind:
"Sie besuchen Meditationskurse.
Sie lesen esoterische Bücher. Sie interessieren sich für Engel und
für spirituelle Heilkräfte. Sie sind offen für das Göttliche und
haben offensichtlich eine spirituelle Sehnsucht. Die Frage ist, wie
wir diese vielen suchenden Menschen erreichen und wie wir ihr Herz
berühren können."2
Ja, diese Frage sollten wir uns
stellen, denn Gottes Größe umfasst alles menschliche Suchen.
Aus diesem Grund sieht Tomáš Halík
in dieser Suche auch ein Zeichen des Geistes:
"Das Interesse an der
Spiritualität ist unbestritten eines der Zeichen der Zeit, eine der
wichtigsten göttlichen Einladungen an Suchende, ganz gleich, ob sie
sich im Inneren der Kirchen oder bereits jenseits ihrer Grenzen
befinden."3
Möglicherweise ist die Kirche (im
Gegensatz zu Gott) nicht einladend genug für jene Suchenden, die auf
der Spur des biblisch bezeugten Gott sind, der alle Schranken und
Grenzen sprengt und vor dem wir unser Gesicht verhüllen müssten,
würden wir ihm begegnen. Die Offenbarung in Jesus hebt diese
Unberechenbarkeit Gottes ja nicht auf, Jesu Predigt domestiziert Gott
gerade nicht als einen lieben verzeihenden Onkel-Gott.
Entgegen vieler gegenwärtiger
Verkündigungstendenzen (auch in diesem Blog) rüttelt der eingangs
zitierte Steffensky auf:
"Unsere Lieder, Gebete,
Theologien sind fast von einstimmiger Vertrautheit ihm gegenüber. Er
ist der gute Vater, die nährende Mutter, der mitreisende Bruder, er
versteht uns, er liebt uns, er vergibt uns, er atmet uns, er ist die
pure Zärtlichkeit. Dies alles ist ja gut und richtig. Aber diese
religiöse Welt ist mir zu geglättet. Das Ganze ist mir zu süß und
zu widerspruchsfrei geworden, zu harmonistisch und zu geheimnislos."4
Auch Steffensky lehnt die
angstmachenden Gottesbilder früherer Generationen ab – aber
genauso stellt er sich gegen eine Harmonisierung, die für ihn in
"Selbstinfantilisierung" abzugleiten droht.5
Damit meint er das Ausblenden der
Widerständigkeit, die der Gedanke eines ewigen, allgütigen und
allmächtigen Gottes eigentlich beinhaltet. Manchmal fehlt uns eben
die himmelweite Entferntheit in unserem Sprechen von Gott, die dem
Islam zu oft unbedacht vorgeworfen wird.
Das wäre wohl eine wichtige
Verantwortung unserer Zeit: Gott-Suchende ernst zu nehmen in ihrem
Wunsch, die wahre Größe Gottes zu entdecken und sich dadurch selbst
herausgefordert zu sehen, Gott nicht auf das eigene beschränkte Maß
zurechtzuschrumpfen.
Bildlos noch glücklicher. Tempelhof, Berlin, 2014. |
1 F.
Steffensky, Die 10 Gebote. Anweisungen für das Land der Freiheit.
Stuttgart 2013, 40.
2 A.
Grün, Religiös unempfindlich bis spirituell suchend – das
bewegte Bild des Atheismus. In: A. Grün, T. Halík, Gott los
werden? Wenn Glaube und Unglaube sich umarmen. Münsterschwarzach
2016, 82f.
3 T.
Halík, Die Religion und der geistlich suchende Mensch. In: A. Grün,
T. Halík, a.a.O., 105.