Die ökumenisch bedeutendste Aussage
über die Eucharistie ist eine, die leider jeglicher Popularität
entbehrt.
Denn es handelt sich um eine etwas
sperrige und technisch klingende Doppelaussage – dass die
Eucharistie "Zeichen und Werkzeug" kirchlicher
Einheit sei.1
Einheit ist in der eucharistischen
Feier darum zentral, weil sich durch das Zusammenkommen der Vielen
zum einen Mahl zugleich die Einheit der Kirche verwirklicht. Sie
teilen den einen (eucharistischen) Leib Christi und werden darum
selbst der (kirchliche) Leib Christi.
Paulus schreibt in der zweiten Lesung des heutigen Festes: "Ein
Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil
an dem einen Brot." (1Kor 10,17)
Die Crux ist nun, dass die Christenheit
bekanntlich nicht eine einzige Kirche ist, sondern aus vielen
verschiedenen Kirchen besteht.
Ein Brot. Kapelle des Christian-Schreiber-Hauses, Grünheide, 2017. |
Wie soll aber eine gemeinsame Feier
getrennter Christen ihre Einheit ausdrücken?
Es würde etwas
simuliert, das in der Welt außerhalb dieser Feier keinen Bestand
hat.
Das ist der Grundgedanke hinter dem
Begriff "Zeichen": die Feier der Eucharistie zeigt, dass
diejenigen, die die Fülle des Glaubens gemeinsam feiern, auch
tatsächlich die Fülle der Gemeinschaft haben. In der höchsten
kirchlichen Feier muss auch das Innerste der Kirche, nämlich ihre
Einheit in Christus, hervortreten. Ökumenisch bedeutet das nach
einer Reihe von kirchlichen Dokumenten, dass "die
eucharistische Gemeinschaft untrennbar an die volle kirchliche
Gemeinschaft und deren sichtbaren Ausdruck gebunden" ist.2
Doch seit dem Zweiten Vatikanischen
Konzil stellt die Kirche neben dieses Konzept der Eucharistie als
Einheitszeichen den Gedanken der Eucharistie als Werkzeug oder
Mittel, der in Spannung dazu steht.
Denn die Eucharistie hat zugleich eine
geistliche Wirkung – sie will im gewandelten Brot auch die
Empfänger des Brotes verwandeln. Und das nicht nur als Einzelne,
sondern auch als Gemeinschaft. "Die Eucharistie ist für die
Getauften eine geistliche Nahrung, die sie befähigt, die Sünde zu
überwinden, vom Leben Christi selbst zu leben, immer tiefer in
seinen Leib eingegliedert zu werden".3
Hier taucht also der "menschenfreundliche" Zug auf, der von
dogmatischen Normen insofern absehen kann als dass das "Heil der
Seelen" als wichtigstes Ziel kirchlichen Handeln herausgestellt
wird. Walter Kasper schreibt dazu: "Die Einheit der Kirche
ist keine totalitäre Größe, welche den Einzelnen 'aufsaugt' und
gnadenlos einer abstrakten Einheitsideologie unterordnet. Der
Einzelne wird vielmehr in seiner persönlich unableitbaren je
einmaligen Situation ernst genommen."4
Und dann ist u.U. eben auch gemeinsamer Kommunionempfang mit jenen möglich, die nicht zur vollen "Communio" gehören.
Einheit nicht nur zeigen und
ausdrücken, sondern auch bewirken – kürzestmöglich sagt das
Konzil in der Kirchenkonstitution, die Einheit der Kirche werde in
der Eucharistie "dargestellt und verwirklicht".5
Oder in etwas längeren Worten, es gehe
um "die Bezeugung der Einheit der Kirche und die Teilnahme an
den Mitteln der Gnade." Im Anschluss daran wird gefolgert:
"Die Bezeugung der Einheit verbietet in den meisten Fällen
die Gottesdienstgemeinschaft, die Sorge um die Gnade empfiehlt sie
indessen in manchen Fällen."6
Dialog nur zwischen Verschiedenen. Dießen, 2015. |
Es hängt also ganz davon ab, welcher
theologische Schwerpunkt
gesetzt wird. Je nachdem ist dann zu entscheiden, ob eher dem Zeugnis
der Einheit der Vorrang gegeben werden soll, die einen Zutritt von
Nichtmitgliedern der eigenen Gemeinschaft dann ausschlösse – oder
ob in der Hoffnung auf die aufbauende Wirkung der Eucharistie durch
die Zulassung ein weiterer Schritt auf die Einheit hin getan würde.
Ich selbst bin kein Kirchenrechtler und
habe die einschlägigen Diskussionen nicht vor Augen, aber, wie
Kasper schreibt, wird die jeweils individuelle Situation in Frage
stehen – ob ein evangelischer Christ in einer persönlichen Krise
Trost und Stärkung durch die Nähe Christi in der Eucharistie sucht
oder ob sich jemand, "nur" im Wunsch auch dazuzugehören,
in die Reihe der Kommunikanden stellt.
Von außen allerdings wird es
schwer sein, sich ohne ein persönliches Gespräch ein Urteil
anzumaßen.
"Nach all den Bemühungen um
Konvergenzen in den zurückliegenden Jahrzehnten [der ökumenischen
Gespräche zwischen evangelischer und katholischer Kirche, R.P.]
erscheint es mehr und mehr unerträglich, dass evangelische und
katholische Christinnen und Christen nicht gemeinsam Eucharistie
feiern können."7
Ich persönlich habe den Riss zwischen den Kirchen immer besonders
stark empfunden, wenn ich wusste, dass eine wirklich suchende und im
Gebetskontakt mit Gott stehende Person nicht zur Kommunion ging, weil
sie sich nicht zugehörig empfand – und stehe zugleich dazu, dass
ich glaube, dass vorher noch viele andere Schritte nötig sind, bevor
wir umstandslos das "Geheimnis des Glaubens" als Höhepunkt
der Einheit regulär miteinander feiern können.
Und trotzdem sollten wir die Kraft
Gottes, die in diesem Sakrament wirkt, nicht unterschätzen. Auch
durch das gemeinsame Gebet und die Feier der Gemeinschaft will Gott
uns tiefer zueinander und tiefer zu sich führen. Und gerade in der
gemeinsamen Erinnerung an den Tod und die Liebeshingabe seines Sohnes
können wir stärker ermessen, was uns fehlt, wenn wir nicht
zusammenkommen können.
Wenn wir Katholiken dieser Tage also
das Fest Fronleichnam und darin die Eucharistie feiern, sollte uns
diese Feier auch Erinnerung und Ansporn sein, uns weiter und stärker
für die volle Einheit der Christen einzusetzen. Denn "Ökumene
hat nicht nur mit Texten zu tun, sondern auch mit gegenwärtiger
Praxis."8
Ein Haus für alle. Fürstenwalde / Spree, 2016. |
1 Vgl.
LG 3; UR 8. Etwas ausführlicher W. Kasper, Sakrament der Einheit.
Eucharistie und Kirche. Freiburg i.Br. 2004, bes. 130-143. Oder
Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen,
Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den
Ökumenismus. Hg.: Sekretariat der DBK, Bonn 1993, No 129.
2 Ebd.
3 Ebd.
4 W.
Kasper, a.a.O., 139.
5 LG
3.
6 UR
8. Vgl später das Direktorium, a.a.O., 129: "Im Lichte dieser
beiden Grundprinzipien, die stets zusammen gesehen werden müssen,
gewährt die katholische Kirche im allgemeinen den Zutritt zur
eucharistischen Gemeinschaft und zu den Sakramenten der Buße und
der Krankensalbung einzig jenen Gläubigen, die mit ihr in der
Einheit des Glaubens, des Gottesdienstes und des kirchlichen Lebens
stehen.
Aus denselben Gründen erkennt sie auch an, daß unter gewissen Umständen, in Ausnahmefällen und unter gewissen Bedingungen der Zutritt zu diesen Sakramenten Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften gewährt oder sogar empfohlen werden kann."
Aus denselben Gründen erkennt sie auch an, daß unter gewissen Umständen, in Ausnahmefällen und unter gewissen Bedingungen der Zutritt zu diesen Sakramenten Christen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften gewährt oder sogar empfohlen werden kann."
7 V.
Leppin, D. Sattler (Hgg.), Reformation 1517-2017. Ökumenische
Perspektiven. Freiburg i.Br. / Göttingen, 71.