Es ist ein Kreuz mit dem Geist Gottes.
Unbefriedigend ist vor allem, sich
keine befriedigende visuelle Vorstellung, kein Bild von ihm machen zu
können. Entweder wird er durch ein fliegendes Tier symbolisiert oder
mithilfe eines kleinen Feuerflämmchens, was jeweils seine
theologischen und künstlerischen Gründe hat, aber für befriedigend
halte ich auch das nicht. Vielleicht sollte man ihn einfach überhaupt
nicht darstellen.
Diese letztere Möglichkeit passt
nämlich für Gott überhaupt am besten – zur Theologie genauso wie
zu Kunst mit christlichen Motiven.
Im Gefängnis und in der Schule habe
ich zur Vorbereitung auf das Pfingstfest immer mal Pfingstbilder
bekannter Maler angeschaut – Tizian, El Greco, Giotto di Bondone,
Nolde, Dürer …
Überall finden sich Feuerflammen oder
Tauben oder beides. Oft auch noch himmelwärts gerichtete Verzückung
und Strahlenglanz.
Volker Stelzmann, Das Pfingstbild. (2001/02) Quelle: E. Poll (Hg.), Volker Stelzmann. Versuchsanordnungen. Frankfurt a.M. 2007, 127 |
Aber da gibt es auch ein relativ
aktuelles Bild von Volker Stelzmann, "Das Pfingstbild"
von 2001/02.1
Darauf sind vor einfarbig dunklem Hintergrund eine Reihe eng vor- und
hintereinander stehender Personen zu sehen. Viele Männer, vielleicht
einige Frauen, alle im Bildvordergrund nahezu auf einer Ebene
positioniert. Sie schauen in verschiedenste Richtungen und scheinen
nicht koordiniert miteinander zu tun zu haben. Einige Hände stechen
in verschiedenen Haltungen hervor, zeigen nach oben oder nach unten,
sind wie zum Gebet gefaltet oder ausgestreckt. Die Menschen scheinen
in Bewegung zu sein, aber es ist nicht zu erkennen, ob es einen
gemeinsamen Grund oder gar eine Ordnung für diese Bewegungen gibt.
Erst nach mehrmaliger Betrachtung erschloss sich mir außerdem eine
Art Lichtschein auf Höhe der Knie. Die Beine sind bei drei im
Vordergrund abgebildeten Personen kurz behost und darum nackt zu
sehen.
In all dem aber: kein Geist in Form von
Taube oder Flamme, kein Leuchten, kein Aureole. Nur diese Menschen
vor dunklem Grund mit hellen Beinen. Und eben die Bildunterschrift,
dass es sich um ein Pfingstbild handle.
Denn wie sehen geisterfüllte Menschen denn aus, wenn nicht auch so...?
Denn wie sehen geisterfüllte Menschen denn aus, wenn nicht auch so...?
Möglicherweise wirkt auch die Kirche
für Nichtchristen heute genau so: unterschiedlichste Menschen tun
verschiedenste Dinge, ohne dass Außenstehenden klar wird, was sie da
genau antreibt. Es ist keine Einheitlichkeit zu erkennen, keine
gemeinsame gleichzeitige Ausrichtung, keine besondere Schönheit und
erst recht kein Heiliger Geist.
Schon insofern wäre Volker Stelzmanns
Bild passend und dem Blick von außen angemessen. Aber auch für uns
Christen fragt sich ja, ob und wie der Geist, an dessen Wirken wir ja
in Kirche und Welt glauben, sichtbar wird.
Und da scheint es ja, dass wir
vornehmlich seine "Effekte" wahrnehmen können, also nicht
ihn selbst, sondern sein Wirken in den Menschen. WWeil die Bibel von
den Gaben des Geistes spricht, wäre der Geist also sichtbar dort, wo
Menschen einander guten Willens Rat geben oder den Namen Gottes in
ihrem Leben heilig halten ("Gottesfurcht") oder prophetisch
Kritik an bestehenden ungerechten Verhältnissen üben usw. (vgl. Jes
11,2; 1Kor 14).
Aber das wäre, darauf verweist das
Bild Stelzmanns, eben nur unter der Prämisse wahrnehmbar, dass es
sich da gerade wirklich um das Wirken und Wehen des Geistes handelt.
Darum noch zwei Bemerkungen zum Bild:
Einer weist nach oben und einer nach
unten – die Diskrepanz im Bereich christlicher Meinungen kann wie
Unfrieden oder Uneinigkeit wirken. Es kann aber auch sein, dass der
Geist die Kirche ganz bewusst an den verschiedenen Punkten, an denen
sie in der Welt steht, zu verschiedenen Hinweisen veranlasst, weil in
der Welt eben je nach Zeit und Ort verschiedene Richtungsweisungen
nötig sein können.
Die angestrahlten Beine – worauf ist
der Fokus gerichtet, wenn Menschen die Kirche anschauen? Auf die
Gesichter und Hände – also auf den Glauben und auf das, worauf sie
hinweist? Oder auf die "unteren" Bereiche, dort wo sie
nackt ist, wo manche Menschen nur "Unkultur" erkennen
können? Denn bei allem Erfülltsein von Heiligendem Geist ist doch
auch der Kirche – leider und zum Glück, und sowieso unvermeidlich
– nichts Menschliches fremd.
Auf diese Weise entspricht dieses Bild
in Vielem dem, was Pfingsten und was Kirche ausmacht. Kein riesiger
Wunder-Feuersturm mit Haus-Brausen zeigt sich heute, sondern normale
Menschen in verschiedensten Situationen, Haltungen und Ausrichtungen,
die geeint werden durch ihre Anwesenheit dort, wo der Heilige Geist
sich ihnen gibt.
Und er gibt sich jedem anders, so dass
jeder etwas anderes aus seiner Gegenwart macht.
Das aber kann dann seine
Wahrnehmbarkeit in der Welt sein.
1 Zu
finden in: E. Poll (Hg.), Volker Stelzmann. Versuchsanordnungen.
Frankfurt a.M. 2007, 127. Oder unter: http://www.volkerstelzmann.de/Bilder.0.6.1.html.