Sonntag, 9. Juli 2017

Unmündig werden leicht gemacht! Ein Gedanke zum Sonntagsevangelium

Man muss nichts können, um Christ zu sein.
Man braucht keine speziellen „soft skills“, kein Expertenwissen, keine bessere Lebensweise, keine intensive Gebetspraxis.
All diese Dinge mögen bisweilen helfen, ein Christ zu sein. Aber sie sind keine Voraussetzung für christliches Leben. 
 
Nichts für Unmündige.
Seddiner See, Brandenburg, 2017.
Jesus betet sogar zu Gott: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“ (Mt 11,25)

All das … offenbart“ meint alles, was Christsein ausmacht – nämlich im Kontakt mit Jesus zu stehen. 
 
Und diesen Kontakt mit Jesus, diesen Zugang zu Gottes Liebe haben nicht die Hochstehenden oder die Elite, nicht die Würdigen oder die besonders Schlauen. Konkret: Nicht nur „Kirchenleute“, Akademiker und Menschen ohne Vorstrafen. Sondern diesen Zugang haben zunächst jene, denen es vielleicht gar nicht zugetraut wird, die Unmündigen eben. 
 
Zur Zeit Jesu waren das vornehmlich Kinder, Sklaven und zum Teil auch Frauen. Alles Personengruppen, die in einer schlechteren Rechtsstellung waren als die Mündigen – nämlich die erwachsenen freien Männer.
Wie damals so sind es auch heute größtenteils die Männer, die viele Posten innehaben, viel verdienen, viel können, machen, bewirken. In unserer Gesellschaft wird dieses Monopol glücklicherweise zunehmend aufgebrochen – aber die Tendenzen sind doch immer noch eindeutig, trotz einer Frau als bundesdeutscher Kanzlerin und einer auch sonst radikal veränderten Stellung von Frauen, Kindern und sogar der Abschaffung der Sklaverei.

Und nun spricht Jesus davon, dass nicht jene, die sonst immer in der ersten Reihe stehen, sondern die Anderen am Zug sind. Nicht die erfolgreichen Macher, sondern die, die nichts machen können. An anderer Stelle sagt Jesus darum: „Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ (Mt 18,3) An ihnen können wir uns orientieren, wenn es um wahres Christsein, um den Kontakt mit der Liebe Gottes geht. 
 
Denn der Kontakt zu Gott ist nichts, was wir mit all unserem Wissen, Können, Wollen erreichen könnten. Er wird uns geschenkt – Jesus sagt „offenbart“. Nicht wir decken auf, wir lüften ein Geheimnis oder wir erobern uns einen Weg zu Gott. All das nützt nichts, weil er es uns schenken will. Wir können uns darauf vorbereiten, können Gutes tun und die Gottesdienste besuchen.
Aber das Entscheidende können wir nicht machen. 

Das Entscheidende ist: wir müssen uns, wie unmündige Kinder, lieben lassen.

Sich lieben lassen - genau in der Mitte, doch nicht immer leicht zu treffen.
Neukölln, Berlin, 2016.