Mittwoch, 19. Juli 2017

Augen, die das Entstehen sehen. Ein Pränatal-Kommentar

Was gibt es in den letzten Tagen vor der Geburt des eigenen Kindes noch für relevante Gedanken?
Jetzt, wo es jeden Moment könnte so weit sein könnte, dass sich unter den Schmerzen der werdenden Mutter das Kind ins postnatale Leben drängt.
Da bleibt kaum Platz für andere Gedanken.
Wer sieht wen durch was? Grünheide, 2017.
Aus biblischer Perspektive ist für das Kind immer noch der Moment, in dem der Psalmist Gottes Voraussicht auf sein Leben besingt: "Deine Augen sahen, wie ich entstand, in deinem Buch war schon alles verzeichnet". (Ps 139,16)
Denn nicht nur die tastende Hand der Hebamme, nicht allein der Ultraschall, nicht nur das technisch erzeugbare 3D-Abbild des Kindes, sondern auch und vor allem Gottes steter Blick ist es, der das kleine Lebewesen sieht.
Gesehen werden meint an dieser Stelle, gewollt zu sein. Gott will dieses Leben. Er hat schon jetzt die Zukunft dieses Menschen im Blick, auch wenn wir Menschen keine Ahnung haben, wohin dieser kleine Anfang einmal führen wird.
Ich finde dieses Vertrauen des Psalmisten großartig.
Ein kleiner Mensch, der sich von allen direkten menschlichen Blicken abgeschirmt im mütterlichen Bauch noch zur Geburtsreife entwickelt, hat Gott doch schon ganz auf seiner Seite.
Reif für die Zukunft ist er schon. Reif für das Geliebtwerden ist er schon.
Mehr brauche ich im Moment nicht zu denken.

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Und zugleich ist da natürlich noch so viel mehr, dass ich hier nicht wiederholen, nur erinnern möchte:
Da ist dieses paradox abwesend-anwesende Leben, über das ich vor bald drei Jahren schon an dieser Stelle schrieb.
Da sind die immer wieder immer noch archaisch-anarchischen Fortpflanzungsgegebenheiten
Da ist das innere Erbeben, wenn ich mir klar mache, dass dieses Leben von nun an eine neue menschliche Ewigkeit vor Gott bringt.
Da ist die Frage, was es christlich bedacht wirklich bedeutet, das Licht der Welt zu erblicken.
Da ist der Anhauch der Heiligkeit, wenn ich dieses Leben bedenke.