Wer von Advent und Weihnachten im
christlichen Sinne spricht, spricht immer auch davon, dass Jesus
Christus als Mensch geboren wird. Dass Gott da also ein Mensch werden
will, wird, insofern eine solche Aussage nicht ins Mythologische
abgeschoben wird, gemeinhin als Wunder bezeichnet.
Doch bei genauerer Betrachtung ist das
größte Wunder eigentlich, dass durch den sexuellen Akt überhaupt
neues Leben entsteht. Dass die Eizelle einer Frau und die Samenzelle
eines Mannes zusammen fähig sind, in der Gebärmutter der Frau ein
neues Lebewesen entstehen zu lassen, ist eigentlich gar nicht zu
fassen.
Kern des Lebens? Rixdorf, Berlin, 2016. |
Und trotzdem führt schon die Wortwahl
in die Irre – wer lässt denn hier entstehen? Da wirkt doch kein
"Wille" irgendwelcher Zellen oder Hormone – und schon gar
nicht ist es ein "Kindermachen" von Sexualpartnern, die
sich nach Belieben entscheiden könnten, wann sie die Lebenswerdung
einleiten. Sie können gerade mal eine Empfängnis durch verhütende
Maßnahmen weitestgehend verhindern oder durch Zyklusberechnungen die
Chance darauf steigern.
Aber ob dann tatsächlich dieses
ungeheuerliche "Etwas" geschieht, ist uns Menschen als
"Machen" aus der Hand genommen und nur begrenzt steuerbar.
Wir können Voraussetzungen schaffen, dem Bedingungsgefüge technisch
unter die Arme greifen, Reagenzgläser schwingen und die Einnistung
befruchteter Eizellen vorantreiben.
Aber das Leben, es entsteht bei all dem
Tun eben – oder auch nicht.
Dass etwas so Fundamentales wie die
eigene Fortpflanzung so anarchisch unregierbar bleibt, hat schon
lange vor uns die Menschen dazu gebracht, vom Leben als Gabe zu
sprechen. Neues Leben ist eine Gnade – unverhältnismäßiges
Beschenktwerden mitten in der zwischenmenschlichen Liebe.
Denn da hat neu entstehendes Leben
seinen idealen Ort – in der hingebungsvollen Liebe zweier Menschen,
die so offen sind für einander, dass aus ihrer Beziehung die Liebe
weiterfließt zur Weitergabe des Lebens an einen Dritten.
Das ganze bisherige eigene Leben ändert
sich für eine Frau, die weiß und ahnt, dass in ihr, in ihrem Körper
ein von ihr abhängiges und doch mehr und mehr eigenständiges Leben
heranwächst.
Eine Person entsteht in einer Person,
jeden Tag mehr wird individuelles Leben in einem Individuum. Und
plötzlich gibt es da einen neuen Menschen.
Wahrscheinlich ist der Advent die passendste Zeit, um dieses unzeitgemäße Staunen darüber, dass da überhaupt menschliches Leben ist, einmal zuzulassen.
Ja, es ist so wunderbar, dass schon die
Psalmbeter Gottes Größe besangen:
"... du hast mein Inneres
geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter.
Als ich geformt wurde im Dunkeln,
kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde,
waren meine Glieder dir nicht
verborgen.
in deinem Buch war schon alles
verzeichnet;
meine Tage waren schon gebildet, als
noch keiner von ihnen da war." (Ps 139,13-16)
Und im Advent schließlich geht der
Blick besonders auf Maria als auf jene Frau, in der dieses Geschenk
werdenden Lebens ganz aus dem Willen Gottes Wirklichkeit wurde (sei
für diese gnadenhafte Jungfräulichkeit nun ein Mann nötig gewesen
oder nicht).
Jesus, Mensch unter Menschen, Wunder
unter Wundern. Und...
Auch Wunder wohnen. Britz, Berlin, 2016. |