Das Evangelium des kommenden Vierten Advents (Mt
1,18-24) stellt die Geschichte der Geburt Jesu aus der Sicht Josefs
dar. Einige Gedankensplitter.
Der will sich zunächst, in guter
Weise, wie versichert wird, aus dem Staub machen. Wie edel seine
Motive allerdings auch seien, sie wären darauf hinausgelaufen, dass
Maria allein ein uneheliches Kind aufgezogen hätte. Menschlich (und
wenn man so will, auch juristisch) ist die Sache und Josefs Gedanke
damit eindeutig und klar. Zwar will er "sie nicht
bloßstellen" (v19), aber seine eigene Reputation will er
schon auch noch wahren.
Nebulös. Geleise in Mariendorf, Berlin, 2016. |
Die Hörer aber wissen schon, dass es
Gott ist, der hier handelt, denn das erwartete Kind kam "durch
das Wirken des Heiligen Geistes" (v18). Gott nimmt dazu
Menschen in seinen Dienst. Nicht nur Maria, wie traditionell
besonders betont wird, sondern auch Josef ist vonnöten, wenn das
Kind gut aufwachsen soll.
Auf diese Weise wird der Traum, der
Josef schließlich zum Umdenken bringt, zu einer Indienstnahme dieses
Mannes im Sinne Gottes. Und dies geschieht dadurch, dass Josef,
theologisch gesprochen, einsieht, dass diese Frau ihm nicht allein
gehört. Den Besitzanspruch auf seine Verlobte soll er zugunsten der
Inanspruchnahme durch eine höhere Macht aufgeben.
In seinem Traum wird ihm
klargemacht, dass Gott etwas mit Maria – und (nur) deshalb auch mit
ihm – vorhat. Diese Zweitrangigkeit einzusehen, war mit Sicherheit
eine demütigende Erfahrung. Noch dazu er kaum die erste Demütigung,
nämlich nicht der Vater des Kindes zu sein, verwunden haben dürfte.
Von einer anderen Seite betrachtet ist
dies eine Geschichte der Treue in der Untreue. Innerlich hat Josef
sich schon verabschiedet, Maria aber noch nichts gesagt – eine
altbekannte Art und Weise, wie Paare sich trennen. Nicht
kommunizieren, sondern ab einem bestimmten Punkt seine eigenen Pläne
machen und seine eigenen Wege gehen. Wenn die eigenen Pläne schon
fertig sind, bleibt der anderen Person nichts übrig, als sich ins
Geschick zu fügen, dass sie am Ende eines längeren inneren Weges
überraschend vor vollendeten Tatsachen steht.
Doch Josef bleibt wider Erwarten und
entgegen seinem eigenen Entschluss treu.
Denn zum Glück gibt es hier einen, der
für zwei Menschen einen einzigen Plan mit unterschiedlichen Akzenten
hat, einen Plan, der sich allerdings erst nach und nach enthüllt.
Folgerichtig wird er in Gänze auch erst bei der Lektüre zweier
Evangelien klar. Während Lukas Marias Überraschung angesichts der
Verkündigung durch den Engel erzählt (Lk 1,26-38), übernimmt
Matthäus den Part des Josef. Der biblische Kanon verbindet beide
Teile des Planes Gottes für die HörerInnen und entfaltet das
Panorama der von allen Seiten wirkenden Gnade Gottes.
Was Männer wirklich brauchen. Neukölln, Berlin, 2014. |
Wüssten wir nichts von dem Traum, wäre
es die Geschichte eines Mannes, der trotz seiner Zweifel bezüglich
seiner Frau zu ihr steht. In den Anfechtungen seiner liebenden
Existenz, über die Brüche hinweg, die solche Kuckuckskinder reißen,
im verständlichen Groll und trotz des schon gefassten Entschlusses –
bleibt er bei ihr. Das ist wahre Liebe zu nennen.
Da wir nun aber vom Traum wissen, ahnen
wir, dass es nicht nur die demütigende Indienstnahme, das Loslassen
seines Besitzes oder die übergroße Liebe sind, die ihn treiben,
sondern vielleicht auch das, was Gott da sagt. All die Phrasen und
Zitate laufen ja zusammen in der Bezeichnung des Kindes als "Gott
mit uns" (v23). Es kann auch ein unglaubliches Hocherlebnis
gewesen sein, als Josef realisierte, dass er in diese gigantische
Geschichte eingebunden ist.
Schließlich erzählt die Perikope von
einer Art und Weise, wie ein Mensch den Willen Gottes erkennt. Die
Bibel kennt den Traum als Medium Gottes schon lang – so am
bekanntesten bei den Träumen von Josefs Namensvetter oder bei Jakobs
Traum von der Himmelsleiter und von Gottes Nähe.
Träume können im Auge des
Evangelisten augenscheinlich Ausdruck dessen sein, was in der Tiefe
schon klar ist, während die Ratio noch ihre Gründe abwägt oder
sucht. Ein intuitives Erfassen und Spüren des Richtigen wird hier
geschildert – und, mit Ignatius, wird es eine ungeheure
Trosterfahrung für Josef gewesen sein, die ihn daz bringt, dass er
sich letztlich zu seinem vorher ausgeschlossen scheinenden Schritt
entscheidet.
Denn dann erwacht Josef. Und tut
einfach das, was richtig ist. Er ist nun ein im besten Sinne zum
Ernst und zur Verantwortung des Lebens Erwachter.
Wäre das doch eine Frucht des Advents,
dass wir endlich aus unseren Träumen erwachten – und dann verantwortungsbewusst täten,
was zu tun ist!
Welcher Weg will gegangen sein? Beusselstraße, Moabit, Berlin, 2016. |