Dienstag, 13. Dezember 2016

Viele Male Josef: der Loslassende, der Demütige, der Getröstete, der Erwachte...

Das Evangelium des kommenden Vierten Advents (Mt 1,18-24) stellt die Geschichte der Geburt Jesu aus der Sicht Josefs dar. Einige Gedankensplitter.

Der will sich zunächst, in guter Weise, wie versichert wird, aus dem Staub machen. Wie edel seine Motive allerdings auch seien, sie wären darauf hinausgelaufen, dass Maria allein ein uneheliches Kind aufgezogen hätte. Menschlich (und wenn man so will, auch juristisch) ist die Sache und Josefs Gedanke damit eindeutig und klar. Zwar will er "sie nicht bloßstellen" (v19), aber seine eigene Reputation will er schon auch noch wahren.

Nebulös. Geleise in Mariendorf, Berlin, 2016.
Die Hörer aber wissen schon, dass es Gott ist, der hier handelt, denn das erwartete Kind kam "durch das Wirken des Heiligen Geistes" (v18). Gott nimmt dazu Menschen in seinen Dienst. Nicht nur Maria, wie traditionell besonders betont wird, sondern auch Josef ist vonnöten, wenn das Kind gut aufwachsen soll.

Auf diese Weise wird der Traum, der Josef schließlich zum Umdenken bringt, zu einer Indienstnahme dieses Mannes im Sinne Gottes. Und dies geschieht dadurch, dass Josef, theologisch gesprochen, einsieht, dass diese Frau ihm nicht allein gehört. Den Besitzanspruch auf seine Verlobte soll er zugunsten der Inanspruchnahme durch eine höhere Macht aufgeben.

In seinem Traum wird ihm klargemacht, dass Gott etwas mit Maria – und (nur) deshalb auch mit ihm – vorhat. Diese Zweitrangigkeit einzusehen, war mit Sicherheit eine demütigende Erfahrung. Noch dazu er kaum die erste Demütigung, nämlich nicht der Vater des Kindes zu sein, verwunden haben dürfte.

Von einer anderen Seite betrachtet ist dies eine Geschichte der Treue in der Untreue. Innerlich hat Josef sich schon verabschiedet, Maria aber noch nichts gesagt – eine altbekannte Art und Weise, wie Paare sich trennen. Nicht kommunizieren, sondern ab einem bestimmten Punkt seine eigenen Pläne machen und seine eigenen Wege gehen. Wenn die eigenen Pläne schon fertig sind, bleibt der anderen Person nichts übrig, als sich ins Geschick zu fügen, dass sie am Ende eines längeren inneren Weges überraschend vor vollendeten Tatsachen steht.
Doch Josef bleibt wider Erwarten und entgegen seinem eigenen Entschluss treu.

Denn zum Glück gibt es hier einen, der für zwei Menschen einen einzigen Plan mit unterschiedlichen Akzenten hat, einen Plan, der sich allerdings erst nach und nach enthüllt. Folgerichtig wird er in Gänze auch erst bei der Lektüre zweier Evangelien klar. Während Lukas Marias Überraschung angesichts der Verkündigung durch den Engel erzählt (Lk 1,26-38), übernimmt Matthäus den Part des Josef. Der biblische Kanon verbindet beide Teile des Planes Gottes für die HörerInnen und entfaltet das Panorama der von allen Seiten wirkenden Gnade Gottes.

Was Männer wirklich brauchen. Neukölln, Berlin, 2014.
Wüssten wir nichts von dem Traum, wäre es die Geschichte eines Mannes, der trotz seiner Zweifel bezüglich seiner Frau zu ihr steht. In den Anfechtungen seiner liebenden Existenz, über die Brüche hinweg, die solche Kuckuckskinder reißen, im verständlichen Groll und trotz des schon gefassten Entschlusses – bleibt er bei ihr. Das ist wahre Liebe zu nennen.

Da wir nun aber vom Traum wissen, ahnen wir, dass es nicht nur die demütigende Indienstnahme, das Loslassen seines Besitzes oder die übergroße Liebe sind, die ihn treiben, sondern vielleicht auch das, was Gott da sagt. All die Phrasen und Zitate laufen ja zusammen in der Bezeichnung des Kindes als "Gott mit uns" (v23). Es kann auch ein unglaubliches Hocherlebnis gewesen sein, als Josef realisierte, dass er in diese gigantische Geschichte eingebunden ist.

Schließlich erzählt die Perikope von einer Art und Weise, wie ein Mensch den Willen Gottes erkennt. Die Bibel kennt den Traum als Medium Gottes schon lang – so am bekanntesten bei den Träumen von Josefs Namensvetter oder bei Jakobs Traum von der Himmelsleiter und von Gottes Nähe.
Träume können im Auge des Evangelisten augenscheinlich Ausdruck dessen sein, was in der Tiefe schon klar ist, während die Ratio noch ihre Gründe abwägt oder sucht. Ein intuitives Erfassen und Spüren des Richtigen wird hier geschildert – und, mit Ignatius, wird es eine ungeheure Trosterfahrung für Josef gewesen sein, die ihn daz bringt, dass er sich letztlich zu seinem vorher ausgeschlossen scheinenden Schritt entscheidet.

Denn dann erwacht Josef. Und tut einfach das, was richtig ist. Er ist nun ein im besten Sinne zum Ernst und zur Verantwortung des Lebens Erwachter.
Wäre das doch eine Frucht des Advents, dass wir endlich aus unseren Träumen erwachten – und dann verantwortungsbewusst täten, was zu tun ist!

Welcher Weg will gegangen sein? Beusselstraße, Moabit, Berlin, 2016.