Montag, 19. Dezember 2016

Nicht ein Schimmer – Fassungslos in Berlin

Als hätte jemand dem furchtbaren Jahr 2016 noch einen schwarzen Hut aufsetzen wollen!
Tote und viele Verletzte bei einem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Ein Laster fährt in die Menschenmenge.

Ich weiß nicht, was dazu zu sagen wäre. Sicher nicht mehr nichts anderes als bei anderen Anschlägen. Doch es macht wieder und wieder fassungslos. Traurig.

Dieser Tage las ich ein Gedicht von Huub Oosterhuis, von dem ich nicht wusste, ob es in diesen Advent passen wird. Nun weiß ich, dass es passt. Es trägt den Titel: "Dich gesucht bei Tag".1

Sternschatten. Berlin, 2016.
Darin schreibt Oosterhuis von Gottesferne, Trauer und Hilflosigkeit:

"Wenn von dir zu mir
nicht ein Schimmer kommt,
will ich keinen mehr;
lache maskensteif,
fliehe in die Nacht,
werde Wüstenei.
Kehr dein Herz zu mir."

Für gläubige Menschen ist der Horror eines Unfalls oder Anschlags sehr oft verbunden mit dem Gefühl von Gottesferne. "Wo warst Du, Gott?" ist die alte Frage der Bibel, wenn Menschen leiden und sinnlos sterben.
Oft genug lässt sie sich nicht beantworten, da von Gott "nicht ein Schimmer kommt", keine Antwort, kein Hauch. Was bleibt da mehr, als jeden anderen Trost abzuwehren, zur Maske zu werden, höchstens zynisch lächelnd über das Unglück der Welt – und so selbst selbst innerlich wüst zu werden?

Wer trotzdem Kraft hat, kann für die Opfer beten, um die tröstende Nähe Gottes bitten, Hass und Angst in sich nicht gewinnen lassen.
Das Gedicht endet so:

"Streifen Morgenlicht,
reiß das Dunkel auf.
Kehr mein Herz in mir."

Überlassen wir nicht der Dunkelheit das Feld!


1   H. Oosterhuis, Ich steh vor dir. Meditationen, Gebete und Lieder. Freiburg i.Br. 2004, 152.