Gottes Gegenwart wird in Gotteshäusern
katholischer Provenienz vornehmlich in der geweihten Hostie gesucht.
Dieses kleine Stück Brot hat seinen regulären Aufbewahrungsort im
Tabernakel. In Erinnerung an Gottes Anwesenheit bei seinem durch die
Wüste wandernden Volk im Bundeszelt gilt für Christen nun dieses
vergängliche "Zelt" (lat. tabernaculum) als Möglichkeit,
dem Gott, der über alles hinaus ist, verlässlich zu begegnen.
In der Kunst- und Architekturgeschichte
hat der Tabernakel verschiedenste Formen mit unterschiedlichen
theologischen Akzentuierungen erhalten:
Von der hängenden Taube, in der die Heilige Gabe als Geschenk des göttlichen Geistes herabzuschweben scheint, über das Schmuckkästchen, das den größten Schatz der Christen bewahrt, bis zur Himmel und Erde, Boden und Gewölbe verbindenden Stele sind zahlreiche Ausformungen zu finden (vgl. auch die Gedanken zum Tabernakel in der Kirche St. Canisius in Berlin Charlottenburg).
Von der hängenden Taube, in der die Heilige Gabe als Geschenk des göttlichen Geistes herabzuschweben scheint, über das Schmuckkästchen, das den größten Schatz der Christen bewahrt, bis zur Himmel und Erde, Boden und Gewölbe verbindenden Stele sind zahlreiche Ausformungen zu finden (vgl. auch die Gedanken zum Tabernakel in der Kirche St. Canisius in Berlin Charlottenburg).
An dieser Stelle möchte ich zwei Tabernakel aus meinem derzeitigen Umfeld vorstellen: den Tabernakel aus St. Clara in Berlin Neukölln und den aus dem Christian-Schreiber-Haus in Alt-Buchhorst.
Tabernakelgestalt und theologischer
Hintergrund können sich dabei gegenseitig erhellen.
Tabernakel in St. Clara, Neukölln, Berlin, 2017. |
1 Der
Busch
Eine Anknüpfung an das Alte Testament
bietet der Tabernakel in der St.-Clara-Kirche in Berlin Neukölln
(zum Bau selbst hier).
Nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums wurde der Innenraum
(vornehmlich durch Paul Brandenburg) sukzessive neu gestaltet und
erhielt im Rahmen dessen auch eine neue, aus rotem Tuff bestehende
Tabernakelstele. Sie deutet einen abstrakten, über zwei Meter hohen
Dornbusch an, dessen Spitze von Flammenformen gekrönt wird.
Im Hintergrund dieser Darstellung steht
die Begegnung des Schafe weidenden Mose mit Gott im brennenden Dornbusch – verewigt in vielerlei Bildwerken.
Als Mose einen brennenden, doch nicht
verbrennenden Busch sieht, wird er aufmerksam und nähert sich ihm.
Da spricht Gott ihn bei seinem Namen an und fordert ihn auf: "Leg
deine Schuhe ab; denn der Ort wo du stehst, ist heiliger Boden."
(v5) Anschließend gibt er sich zu erkennen als Gott seiner
Vorfahren. Nach diesem Einstieg erklärt er dem Mose, dass er "das
Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über
ihre Antreiber" (v7) gehört habe und sein Volk durch die Hand
des Mose retten wolle. Auf die Frage des Mose, welchen Namen er denn
habe, benennt er sich mit der bekannten Formulierung "Ich bin,
der ich bin." (v14)
Gott wird also qualifiziert als so
übergroß, dass man vor ihm ehrfurchtsvoll die Schuhe ablegt,
zugleich aber ist er schon durch seine Kontakte mit den Vorfahren
bekannt. Noch dazu hat er ein solches Interesse an den Seinen, dass
er sich Menschen sucht, die mit ihm sein Volk retten. Dafür zeigt er
sich, wie er ist – als der Anwesende.
Als Tabernakel hieße der Dornbusch
somit, dass Gott in der Eucharistie zugleich ehrfurchtgebietend und
altbekannt ist. Die mittelalterliche Schaufrömmigkeit und
eucharistische Opferrhetorik erhellt den ersten Aspekt ganz gut.
Der zweite Aspekt, dass Gott ein
altbekannter sei, findet sich wieder im Brot als dem
Grundnahrungsmittel vieler Gesellschaften. Doch erscheint Gott im
eucharistischen Brot eben nicht so wie immer, sondern, genau wie dem
Mose im Dornbusch, in neuer Weise, nämlich als rettender Gott.
Ebenso wird die Eucharistie theologisch
verstanden als die "rettende Speise". Denn Rettung verheißt
der Christenheit schon Gottes beseligende Anwesenheit in den
Gestalten von Brot und Wein.
Ein Dornbusch-Tabernakel spricht mithin
die unverhoffte Anwesenheit Gottes in einem vertrauten
Alltagsgegenstand an. Es wird der Gott erinnert, der sich als der
bleibend Anwesende, als der Treue zusagt.
Doch der Präsenz Gottes in einem nicht
verzehrenden Feuer entspricht nichts im Brot – hier sind die
Christen aufgefordert, im Glauben den Glanz des göttlichen Brotes
selbst zu erspüren. Der Tabernakel in St. Clara setzt dafür
symbolisch zwei Halbedelsteine.
Christkönigskapelle, Christian-Schreiber-Haus, Grünheide, 2017. |
2 Der Fisch
Auch der zweite Tabernakel rekurriert auf das Alte Testament. Die in den 1970er Jahren von Lothar Feitel neu gestaltete Kapelle des Jugendhauses und insbesondere die Altarwand sind gewöhnungsbedürftig. Die Abstraktion mag viele Betrachter abschrecken, doch hält die Wand einige theologisch interessante Anregungen bereit.
Auch der zweite Tabernakel rekurriert auf das Alte Testament. Die in den 1970er Jahren von Lothar Feitel neu gestaltete Kapelle des Jugendhauses und insbesondere die Altarwand sind gewöhnungsbedürftig. Die Abstraktion mag viele Betrachter abschrecken, doch hält die Wand einige theologisch interessante Anregungen bereit.
Um den Tabernakel herum kann man mit
etwas Phantasie die Form eines Fisches entdecken – das
Erkennungszeichen der ersten Christen und auch heute noch (bevorzugt
auf Autos) als christliches Symbol zu finden. Das griechische Akronym
Ichthys deutet hin auf Jesus Christus, den Sohn Gottes und Retter der
Menschen.
Schon damit wäre die Einbettung des
Tabernakels in den Fisch verständlich gemacht: Das kurze
Glaubensbekenntnis hat seinen Kern in der Gegenart des Gottessohnes
in der Eucharistie.
Doch ich lade ein, etwas weiter zu
denken:
Denn in der Bibel fällt vielen christlich Sozialisierten (vor allem Kindern) beim Stichwort Fisch als erstes der vom Fisch verschluckte Prophet Jona ein.
Denn in der Bibel fällt vielen christlich Sozialisierten (vor allem Kindern) beim Stichwort Fisch als erstes der vom Fisch verschluckte Prophet Jona ein.
Und wie Jesus Jona als Zeichen für sich selbst und das eigene Hindurchgehen durch den Tod ansah (vgl. Mt 12,38-41), lässt sich der im Fisch betende Prophet durchaus auch im Zusammenhang dieses Tabernakels deuten.
Wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches
war, so war auch Jesus drei Tage im Grab – und so wie Jonas
ausgespuckt wurde, so wurde auch Jesus aus den Toten auferweckt. Ein
Tabernakel im Bauch des Fisches ist also dafür da, das in ihm
Enthaltene wieder herauszugeben.
Jona geht anschließend nach Ninive und
nimmt seinen göttlichen Auftrag endlich wahr. Jesus erscheint den
Jüngern und sendet sie in seinem Auftrag. Genauso weist der
Tabernakel in der Form des Fisches jetzt uns darauf hin, dass auch
wir mit der im Tabernakel enthaltenen Stärkung wieder hinausgehen
müssen aus dieser Kirche und dort von unserem Glauben an Gott und
von seiner Gegenwart unter uns erzählen sollen.
Der Fisch-Tabernakel erinnert also
nicht nur an die Mitte unseres Glaubens, sondern enthält die
Aufforderung, von diesem Glauben nun ein eucharistisch bestärktes
Zeugnis zu geben.