Montag, 13. März 2017

Dornbusch und Dornenkrone

Wie wurde Gott erlebbar für diejenigen, die die Bibel schrieben? Konkret: wie erfuhr das Volk Israel in den Höhen und Tiefen seiner Geschichte, in Aufstieg und Fall, dass Gott ihm nahe ist?

Es gibt zwei Richtungen, die ich beispielhaft benennen möchte: Gott und seine Führung werden greifbar sowohl in der Einnahme Jerichos, und damit in einer Episode militärischer Größe als auch im Verlust des Landes und dem Elend des Babylonischen Exils. Beide Erfahrungen deutet die Bibel als Zeichen und Eingreifen Gottes. Nicht nur Spitzenerfahrungen zeigen, dass Gott da ist, sondern auch Niederlagen.

Dornenkrone.
Grünheide, 2017.
Ähnlich bei Jesus – durch seine Wunder und seinen bejubelten Einzug in Jerusalem wird er für viele Menschen als der Messias sichtbar – er wird glaubwürdig dadurch, dass er in Gottes Kraft über die Grenzen des Menschenmöglichen hinausgeht – und dafür von Vielen bejubelt wird.
Die Anzahl der Jubelnden scheint jedenfalls sehr wichtig zu sein, um den Status wichtiger Menschen zu festzustellen.

Doch im Nachhinein erkennen ihn die Christen vor allem und noch einmal ganz anders am Kreuz als den Messias. Einer, der sich aus Liebe fertigmachen lässt und ganz unten ankommt: so wird Gott im gekreuzigten Jesus erkannt.

Im Jubel auf der Höhe des Ruhms und in Schwäche und Fall – wenn Gottes Offenbarung sowohl hier als auch dort stattfindet, dann ist dies ganz und gar nicht eindeutig und klar, sondern äußerst schwierig zu erkennen.

Das zeigt auch eines der bekanntesten Symbole der Passion Jesu:
Jesus trägt eine Krone – aber eine aus Dornen. Nicht nur im Jubel der Massen, nicht nur in seinen außerordentlichen Worten und Taten – sondern vor allem in dieser Lächerlichkeit und Erniedrigung finden wir in Jesus Gott. Er ist kein König der machtvollen Stärke, sondern einer, desse Königtum in der Schwäche aufscheint.

Schaut man auch hierzu in die Schriften des Alten Bundes, findet man die Dornen gerade dort, wo Gott sich dem Mose zuerst zeigt: im brennenden Dornbusch in der Wüste.
Kein Donner, kein gewaltiges Beben, kein militärischer Sieg – sondern nur ein Busch aus Dornen, der brennt. Mose muss genaue hinschauen, um Gott zu finden, aber als Mose genau in die Dornen schaut, sagt Gott, wer er wirklich ist: Der "Ich-bin-da" (vgl. Ex 3,14).

Für uns bedeutet das: Aufstiege, Jubel und Siege mögen uns beruhigen, aber Gott zeigt sich nicht nur in den Hoch-Zeiten, sondern in den Dornen des Lebens.

In Dornbusch und Dornenkrone zeigt sich Gott als der, der er wirklich ist: der ganz bei uns Seiende, der aus Liebe mit uns leidet.

Die Krone besetzt den Thron.
Dornen auf Meditationskissen auf Auslegeware. Grünheide, 2017.
Joker: Aus dieser Installation während Exerzitien für Jugendliche kam mir die Idee zu den oben aufgeschriebenen Gedanken:

Kapelle des Christian-Schreiber-Hauses. Grünheide, 2017.