1. Der Pharisäer
„Die kommen
doch alle nur wegen dem Kuchen“ ist
der Satz, der mir zu diesem Evangelium (Lk
18,9-14) als erstes einfällt.
Manchmal sagt ein
Inhaftierter diesen Satz zu mir über diejenigen, die hier im
Gottesdienst sitzen – aber der das sagt, kommt selbst nicht.
Möglicherweise betet er tatsächlich selbst, wie mancher das
behauptet. Möglicherweise ist er wirklich ein frommer Mensch.
Aber trotzdem habe ich ein
ungutes Gefühl dabei. Das hängt auch mit diesem Evangelium zusammen
– denn selbst wenn einer alles richtig macht, was man an religiösen
Übungen so probieren kann, so wertet er doch einen anderen durch
diese Aussage ab.
Ich weiß weder, ob die
Einen nur wegen des Kuchens hier sind, noch ob der Andere tatsächlich
betet. Und das ist auch nur begrenzt wichtig.
Untiefen. Darlowo, 2019. |
Denn es geht nicht um
Vergleicherei, sondern darum, ob wir imstande sind, auch eigene
Fehler und Unzulänglichkeiten zu sehen und zuzugeben.
Es gibt nämlich die große
Versuchung, dass wir uns einrichten in dem, was wir richtig machen.
Immer auf der Spur
bleiben, freundlich sein, keine Kopfnüsse verteilen – alles schön
und gut. Aber etwas Entscheidendes fehlt noch: Wenn ich die Probleme
meines Nachbarn oder meiner Sozialarbeiterin oder der Hausarbeiter
beim Austeilen des Mittagessens für gravierender halte als meine
eigenen, bekommt alles, was ich so schön getan habe, eine komische
Färbung. Sie kennen ja das berühmte Wort vom Splitter im Auge
meines Nächsten, den ich ach so gut sehen kann, während mir der
Balken im eigenen Auge gar nicht auffällt (vgl. Mt 7,3ff).
(Das gilt übrigens auch
für die Wahlen in Thüringen, über die wegen des wahrscheinlich
guten Abschneidens der AfD viel geschimpft werden wird – aber der
abwertende Blick auf "die Ossis" und "die AfD-Wähler"
hilft auch keinem der Wahlberechtigten, sich anders zu entscheiden.)
Unsere Überheblichkeit
zerstört die guten Bemühungen.
Hinzufügen kann man zu
diesem Gedanken noch, dass es in unserer Gesellschaft besonders
schwer ist, die zerknirschte Haltung des Zöllners einzunehmen, weil
alles darauf ausgerichtet ist, dass wir uns gut präsentieren. Wer
einen Job oder eine Partnerin oder Vollzugslockerungen
bekommen möchte (oder sonst etwas) – immer muss man zeigen, dass
möglichst keine Fehler vorhanden sind und alles glänzt.
Wer sich nicht besser
verkaufen kann als er ist, hat schon verloren.
Das ist aber das Gegenteil
von dem, was das Evangelium von uns erwartet.
2. Der Zöllner
Beim Blick auf den Zöllner
wartet die nächste Versuchung: Ich mache es einfach so wie er und
sobald ich weiß, dass von mir erwartet wird, mich nicht
vorzudrängeln und mich nicht mit anderen zu vergleichen, überlege
ich mir, welche Fehler es in meinem Leben so gibt und dann fühle ich
mich damit wohl, dass ich ein klein wenig ein schlechtes Gewissen
habe.
Auch vor dem Richter oder
vor einer Vollzugsplankonferenz kann es strategisch sinnvoll sein, es
zu machen wie der Zöllner: sich reuig zu geben, vielleicht sogar
echte Reue zu empfinden und auf diese Weise die Leute auf die eigene
Seite zu ziehen.
Sehr praktisch!
Aber so ist das Gleichnis
Jesu natürlich nicht gemeint!
Dort nämlich erwartet der
Zöllner gar nicht, dass er von Gott angenommen wird, er kalkuliert
nicht und schielt nicht darauf, was vielleicht dabei herauskommen
könnte, wenn er sich an die Brust schlägt.
Kurz: Er erwartet gar
nicht, dass Gott ihn annimmt.
Nicht rechnen. Linum, 2018. |
Aber – und das ist das
Bemerkenswerte: er kommt trotzdem in den Tempel.
Auch wenn er weiß, dass
nichts Gutes an ihm ist, begibt er sich doch zu Gott und bittet um
Vergebung. Ohne sich zu vergleichen, ohne zu rechnen.
Als Kollaborateur, der
seinen Landsleuten für die römischen Besatzer das Geld aus der
Tasche zieht, bleibt ihm auch nicht viel anderes übrig als um
Vergebung zu bitten. Jesus sagt auch überhaupt nicht, ob er sein
Leben ändert so wie der Zöllner Zachäus, der nach der Begegnung
mit Jesus alles verschenkt hat.
Hier ist wichtig dieser
eine Moment, in dem er sich vor Gott ehrlich macht – für diesen
Moment ist alles gut so, wie es ist.
Natürlich darf dann gern
noch mehr kommen – so wie in der Beichte zur Reue und zur Bitte um
Vergebung auch der Vorsatz gehört, fortan nicht mehr zu sündigen.
Aber darum geht es Jesus jetzt augenscheinlich nicht.
In diesem Gleichnis geht
es ihm darum, dass der vor Gott gerecht ist, der seine Fehler sieht
und um Vergebung bittet und dabei nicht schon wieder versucht, sich
im Vergleich mit einem anderen, der vielleicht noch schlimmer ist,
besser darzustellen.
Das alles ist natürlich
für uns als Einzelne wichtig.
Aber es gibt zugleich auch
zu denken für die Kirche. Insbesondere die katholische Kirche begeht
heute den sogenannten Weltmissionssonntag. Sie will ihre Botschaft
immer mehr Menschen mitteilen.
Die Frage ist nur, ob sie
das eher schafft, wenn sie sich wie der Pharisäer benimmt, der sich
gut verkaufen kann und aufzählt, was er alles richtig macht. Oder ob
sie nicht besser und eher die Herzen erreicht, wenn sie es so macht
wie der Zöllner, der für seine Fehler um Vergebung bittet – und
nicht gleich hinterherschiebt, dass aber die bösen Medien und
die missgünstige Gesellschaft und schon gar die 68er und dann noch
die Geschiedenen, die sich wieder verheiraten...
Ich persönlich glaube ja,
dass eine Kirche, die zugibt, dass sie nicht alles richtig macht, es
da einfacher hat, besonders dann, wenn sie von Personen geführt
wird, die Fehler zugeben können und nicht sofort auf die Splitter
bei allen anderen hinweisen.
3. Gott
Zu guter Letzt ein Blick
auf Gott.
Denn wegen dem kommen die
beiden ja in den Tempel. Und wegen dem sind auch wir heute hier.
Wenn wir also unsere
Beziehung zu Gott so anschauen wie Jesus es vorschlägt, nämlich
dass wir zu ihm wie Kinder zu ihrem Vater kommen dürfen, dann fragt
es sich natürlich, ob es gut ist, sich so aufzuspielen und erst
einmal alles aufzuzählen, was man geleistet hat. Selbstverständlich
gibt es solche Vater-Kind-Beziehungen, aber ob das reife und gesunde
Beziehungen sind, wage ich doch stark zu bezweifeln.
Und auch die Beziehung zu
Gott unserem Vater basiert nicht darauf, wie toll ich bin, sondern
darauf, ob ich es schaffe, mich vor ihm ehrlich zu machen.
Komm zu Gott also nicht wie zu deinem Online-Date, wo du aufzählen musst, was du alles Tolles hast und kannst.
Gott ist dein Vater,
der dich liebt – komm nicht als Großkotz zu ihm.
Das kannst du am leichtesten dann, wenn du darauf vertraust, dass er dich liebt. Und genau das tut er - auch wenn du nur sagst: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" (v13)
Zum Vater, nicht zum Ausreiten. Linum, 2019. |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen