Die gerade zu Ende gegangene
Bischofssynode schlägt in ihrem Abschlussdokument "die
Erarbeitung von Kriterien und Verfügungen durch die kompetente
Behörde vor, um geeignete Männer, die in der Gemeinschaft anerkannt
sind, zu Priestern zu weihen, wobei sie auch eine legitim gebildete,
stabile Familie haben können, um das Leben der christlichen
Gemeinschaft durch die Verkündigung des Wortes und die Feier der
Sakramente in den entlegensten Gebieten der Amazonasregion zu
unterstützen." (hier in einer Arbeitsübersetzung von
vaticannews.va)
Nur ein Tropfen? St.-Hedwigs-Friedhof, Reinickendorf, Berlin, 2019. |
Dieses Abschlussdokument will Papst
Franziskus zur Grundlage für sein Nachsynodales
Schreiben nehmen, um diese und weitere Entscheidungen für die Kirche
in der Amazonasregion zu treffen. Normalerweise nehmen die Päpste
die wesentlichen Vorschläge der Abschlussdokumente auf und ordnen
ihre Umsetzung an. Der Passus über die "erprobten Männer"
("viri probati") hatte im Vergleich mit anderen Absätzen
zwar bei der Schlussabstimmung die wenigsten Stimmen von den
stimmberechtigten Synodenteilnehmern bekommen (41 Nein- und 128
Ja-Stimmen), aber der Abschnitt wurde eindeutig mit
Zweidrittelmehrheit angenommen.
Ich persönlich glaube, dass die
kommende Entscheidung, verheiratete Männer in der Amazonasregion zu
Priestern zu weihen, nur ein erster Schritt sein wird, um den Zölibat
mittelfristig in der ganzen Kirche frei zu stellen.
Angesichts der lange und emotional
geführten Auseinandersetzungen – inklusive der Debatten
auf drei Weltbischofssynoden in den letzten Jahrzehnten, in denen
es jedes Mal zur Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der
Zölibatspflicht kam – wäre dies ein Einschnitt, der nicht zu
unterschätzen ist.
Ein paar verstreute Gedanken zu diesem
Themenkomplex:
• Die Freistellung des Zölibats kann
keine Lösung für die Strukturprobleme der Kirche sein. Mit Blick
auf die evangelische Kirche ist zu beobachten, dass (jedenfalls in
unseren Breiten) auch dort die Berufungen zum Pfarrdienst stark
zurückgehen.
• Vielmehr stellt die Bindung für
ein ganzes Leben die eigentliche, große Herausforderung dar. Auch
die Zahl der Eheschließungen geht zurück, der Trend zur
Individualisierung und zur Lebensplanung in kürzeren Zeitabschnitten
nimmt dagegen zu.
• Mit verheirateten Priestern tauchen
andere Probleme auf. Als verheirateter pastoraler Mitarbeiter weiß
ich, dass die regelmäßige Arbeit an Sonntagen und mehr noch an den
Feiertagen für eine Familie durchaus belastend werden kann.
Im Extremfall kann es bei verheirateten
Priestern dazu kommen, dass die Ehe scheitert. Wenn bisher ein
Priester im zölibatären Leben scheitert, bleibt das entweder geheim
oder der Mann wird i.d.R. von seinen priesterlichen Aufgaben, Rechten
und Pflichten entbunden, um dann eine Ehe einzugehen. Was aber, wenn
die unauflöslich geschlossene Ehe eines verheirateten Priester in
die Brüche geht?
• Ein Einwurf
auf der Synode sah die Gefahr einer Zwei-Klassen-Hierarchie
zwischen unverheirateten und verheirateten Priestern. Aus der
Ostkirche ist die Praxis verheirateter Priester bekannt – die
Bischöfe allerdings sind unverheiratet. Dort stellt sich die
Situation also dergestalt dar: Wer weiterkommen will, muss trotzdem
unverheiratet bleiben. Es gibt demzufolge zwei Klassen von Priestern.
Neue Haube für das ganze Kirchenhaus? Rixdorf, Berlin, 2018. |
• Eine Entgegnung zum erstgenannten
Einwurf auf der Synode war, dass es in den betroffenen Regionen
gerade eine Zweiklassen-Kirche gibt: die mit einem anwesenden
Priester und die ohne. Dagegen sei das Risiko von zwei
Priesterklassen gering.
Aber diese Entgegnung zeigt die
derzeitige Entwicklung hin zu der fatalen Alternative: Ist es
wichtiger, dass die Gemeinden an Mitte und Höhepunkt ihres Glaubens,
also an der Eucharistie, teilnehmen können oder ist es wichtiger,
den Zölibat der Priester aufrecht zu erhalten?
• Ein Sonderfall ist die Frage der
Ausbildung verheirateter Männer in einem Priesterseminar. Dazu nur
der Hinweis, dass das Erfurter Priesterseminar seit einiger Zeit
Priesterkandidaten und andere (männliche und weibliche) Studenten
gemeinsam in einem Haus unterbringt. Die klassische Seminarstruktur
löst sich unter den Bedingungen der Diaspora sowieso zunehmend auf.
Mit vorhandener Familie sieht die
spirituelle Ausbildung natürlich noch einmal anders aus, aber da
lassen sich gewiss praktische Lösungen finden.
• In eine andere Richtung geht die
Einsicht, dass die katholische Kirche damit eines ihrer
Alleinstellungsmerkmale aufgeben würde. Es handelt sich dabei eher
um eine symbolische Zäsur, schließlich würde kein Dogma widerrufen
und keine Glaubenswahrheit angetastet.
Aber gerade in einem System wie der
katholischen Kirche sind symbolische Fragen bedeutsam. Vergangene
Abgrenzungen und Abwertungen, aber auch Aufwertungen und
Idealisierungen gewinnen damit eine ganz neue Färbung.
• Denn das Priesterbild ändert sich
damit radikal.
Als 2011 das Memorandum deutscher Theologen die Abschaffung der Zölibatspflicht forderte, schrieben auch einige Theologen und Amtsträger zum Thema Zölibat. Der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt wies auf den Zwiespalt zwischen Jesus und der kirchlichen Disziplin hin. Jesus sah es so: "Reinheit und Unreinheit steigen allein aus dem Herzen auf, kommen aus den guten und bösen Gedanken. Das ist im Vergleich zu aller Religionswelt ein revolutionärer Durchbruch." Aber die "Forderung der Ehelosigkeit für alle Altardiener kommt von woanders her, aus dem Feld der kultischen Reinheit. Diese besagt: Heiliges darf nur "rein" berührt werden".
Als 2011 das Memorandum deutscher Theologen die Abschaffung der Zölibatspflicht forderte, schrieben auch einige Theologen und Amtsträger zum Thema Zölibat. Der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt wies auf den Zwiespalt zwischen Jesus und der kirchlichen Disziplin hin. Jesus sah es so: "Reinheit und Unreinheit steigen allein aus dem Herzen auf, kommen aus den guten und bösen Gedanken. Das ist im Vergleich zu aller Religionswelt ein revolutionärer Durchbruch." Aber die "Forderung der Ehelosigkeit für alle Altardiener kommt von woanders her, aus dem Feld der kultischen Reinheit. Diese besagt: Heiliges darf nur "rein" berührt werden".
Das Problem ist also, dass die Kirche
sich in ihrem Denkmodell nicht auf Jesu vergeistigte Revolution
bezieht, sondern auf das kultische Denken. Indem sie mönchische
Ideale auf die Weltkleriker überträgt, verlangt sie kultische
Reinheit.
Sollte diese untergründige Botschaft (die in dieser Form ja nur noch selten so theologisch ausformuliert wird) nun nicht mehr gelten, wäre es eine Revolution, die zu Jesus zurückfindet.
Sollte diese untergründige Botschaft (die in dieser Form ja nur noch selten so theologisch ausformuliert wird) nun nicht mehr gelten, wäre es eine Revolution, die zu Jesus zurückfindet.
Wasser oder Stein - Wer ist stärker? Darlowo, 2019. |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen