Ankunft am Bahnhof. Frankfurt (Oder), März 2022. |
So ähnlich werde ich
morgen früh um ca. 10 vor 10 im Radio auf rbb 88,8 zu hören sein:
Ich war in den letzten Wochen immer wieder auf unserem Bahnhof in Frankfurt / Oder. Dort sind seit den ersten Tagen des Krieges in der Ukraine täglich mehrere tausend Menschen durchgefahren.
Fast immer sind es Frauen mit ihren Kindern gewesen. Oftmals waren sie mehrere Tage im Zug unterwegs. Sie hatten wenig geschlafen und waren unruhig und ausgelaugt. Diejenigen, die ausstiegen, wollten oft einfach nicht mehr weiterfahren und suchten etwas Ruhe. Manchen war noch nicht einmal klar, dass sie nun in Deutschland waren.
Wie anders erscheint dagegen die Szene, die dem Palmsonntag seinen Namen gibt: In der Bibel ist die Rede davon, dass Jesus auf einem Esel in Jerusalem einreitet und die Menschen ihm zujubeln. Sie bedecken seinen Weg mit ihren Kleidern und schwenken Palmzweige, um ihre Begeisterung und Anerkennung auszudrücken. „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn.“ (Lk 19,38) rufen sie mit einem alten Wort aus den Psalmen. Sie erwarten einen Friedenskönig.
Auf den ersten Blick scheint die Situation in Frankfurt mit der Situation in Jerusalem nicht viel zu tun zu haben. Doch ich lade Sie zu einem zweiten Blick ein!
Wir sollten ehrlich sein: Niemand hat die geflüchteten Frauen und Kinder sehnsüchtig erwartet.
Sie bringen auch keine Verheißung des Friedens mit sich, nur einen Hauch von der Not, die jeder Krieg hervorbringt. Wo Jesus auf seinem Esel noch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verkörpert hat, erinnern uns die Geflüchteten vor allem daran, wie nah dieser Krieg auch uns ist.
Eines aber haben die ukrainischen Frauen und ihre Kinder mit Jesus gemein – sie weisen uns darauf hin, wie zerbrechlich unser Leben ist. Die Flucht aus einem Kriegsgebiet ist nervenzehrend und aufreibend – auch dann noch, wenn die Ankunft irgendwo anders geglückt ist. Auch Jesus seinerseits ritt ohne große Entourage nach Jerusalem hinein und wusste, dass ihm keine leichte Zeit bevorsteht.
Die ungewisse Zukunft und die Sorge um das, was kommt, ist niemals leicht auszuhalten. Nicht für Menschen, die aus einem Land im Krieg fliehen. Und auch nicht für Jesus damals.
Nach allem, was wir aus der Bibel wissen, lebte er aus seinem Gebet und aus seiner Beziehung zu Gott. Ich hoffe, dass auch die Geflüchteten tief in sich drinnen einen Ruhepol entdecken und daraus Kraft schöpfen können.
Obwohl niemand auf die Flüchtenden wartete, haben sich in Deutschland – und mehr noch in Polen – schnell effektive Hilfsstrukturen entwickelt. Die Aufnahme ist herzlich und weitgehend unkompliziert. Wir haben am Frankfurter Bahnhof zwar keine Palmzweige geschwenkt, aber doch versucht, es den Ankommenden und den Durchreisenden möglichst angenehm zu machen.
Wenn wir die Geschichte Jesu in Richtung Ostern weiterlesen, sehen wir aber, dass die EinwohnerInnen von Jerusalem, die am Palmsonntag noch jubelten, am Karfreitag schon buhten und blutrünstig krakeelten. Hoffentlich zeigen sich Deutschland und Polen, aber auch alle anderen Länder, die jetzt Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, in ihrer Gastfreundlichkeit beständiger!
Denn wenn wir auch keine Könige aufnehmen, bin ich überzeugt, dass auch Flüchtlinge, die unseren Schutz suchen, Menschen mit königlicher Würde sind.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Palmsonntag!
Blumen zum Frauentag. Bahnhof Frankfurt an der Oder, 2022. |
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