Samstag, 14. September 2013

To be by your side

Across the oceans, across the seas,
Over forests of blackened trees.
Through valleys so still we dare not breathe,
To be by your side. ...1


Ein Lied von Nick Cave ist es, das mir zum Evangelium vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) in den Kopf kommt. Eine Person macht sich auf, um an der Seite einer anderen Person zu sein. Im biblischen Text schließt der barmherzige Vater am Ende den reuig heimgekehrten Sohn in die Arme und sie feiern gemeinsam ein Fest. Im Liedtext ist vom Weg die Rede, von den Ozeanen und den Wäldern, den hohen Bergen und der endlosen Wildnis, die durchquert werden müssen, um ans Ziel zu gelangen.

...Into the night as the stars collide,
Across the borders that divide
forests of stone standing petrified,
To be by your side. ...

Was lässt jemanden eine solche Strapatze auf sich nehmen, eine derartig mühevolle Strecke und eine ungewisse Ankunft? Das Evangelium erzählt vom jähen Absturz aus einem Lebenswandel in Saus und Braus - und vom Elend, das dann folgt. Aus Hunger und Demütigung wächst der Entschluss zur Rückkehr, nicht aus Reue und Einsicht, wie oft suggeriert wird. Der Weg zurück muss mühselig gewesen sein, wenn nicht äußerlich, dann immerhin eine innerliche Qual, denn auf den großspurigen Aufbruch in die Weite folgt nun die jämmerliche Heimkehr.
Das Lied deutet dies nur an und verbirgt die Beschwerlichkeit hinter Naturbildern – heulende Winde und Berge, die in Flammen stehen... Eine Art von Schuld scheint es auch hier zu geben, da Tränen vergossen werden ohne dass Erklärungen dafür möglich sind.

... Every mile and every year for every one a little tear.
I cannot explain this, Dear, I will not even try ...

Wege wie dieser verändern Menschen. Wer mit seelischen Narben bedeckt ist und mit Schuldgefühlen ringt, kann auch nach dem Entschluss zur Rückkehr und dem Aufbruch nicht frohgemut den Weg antreten. Die Schritte kosten Überwindung und harte Zweifel treten an Stelle der Entschlossenheit. Ganz zu schweigen von der Unsicherheit, was das Ankommen selbst betrifft.

... From the deepest ocean to the highest peak,
Through the frontiers of your sleep.
Into the valley where we dare not speak,
To be by your side. ...

Wie kommt ein solcher Mensch bei der Rückkehr an? Das Evangelium spricht nur noch von der Großzügigkeit des Vaters, der Tiere schlachten, Gewänder, Schuhe, Ringe holen lässt, der dem Neid des selbstgerechten Bruder entgegentritt, der Mitleid hat. Dem niedergedrückten, zweifelnden, zagenden Ankömmling kann das erfreuen und aufbauen – oder erschlagen. Alle mühsam aufgebrachte Energie für die Aussage "ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein" (v21) – und der Wille, es auch wirklich so zu meinen, verpuffen angesichts der entwaffnenden Herzlichkeit des Vaters.

... Across the endless wilderness
where all the beasts bow down their heads.
Darling I will never rest
till I am by your side. ...

Man kann es als Eitelkeit ansehen, wenn diese Art Entwaffnung nicht als höchstes Glück gepriesen wird. Schließlich gab es kein Recht auf Rückkehr, die Annahme des Gestrauchelten war nicht an Bedingungen geknüpft.
Gleichwohl stellt sich die Frage nach dem mentalen Zustand des sich selbst so Demütigenden. Ist er glücklich? Fühlt er sich wieder als Sohn? Lebt er als von den Toten Zurückgekehrter?
Im Lied ist vom Überfliegen der trennenden Grenzen die Rede – zu hoffen ist, dass das Öffnen aller Tore durch den Vater vor einem Menschen stattfindet, der nach seinen inneren Kämpfen auch fähig ist einzutreten. Der nicht stehenbleibt.

...For I know one thing,
Love comes on a wing.
For tonight I will be by your side.
But tomorrow I will fly...

Die Frohe Botschaft vom verlorenen Sohn – die Verlorenheit ist für Jesus Anfang eines mühsamen Weges, der an die Seite des geliebten Gegenübers führt. Das Lied stellt die Liebe als Motor für die Überwindung der Mühsale hin. Eine Liebe, die in Bewegung bleibt.

... But tomorrow I will fly, Tomorrow I will fly, Tomorrow I will fly. ...