Dienstag, 3. September 2013

sich selbst tun

Wenn man schon mal liest, findet man auch gleich was interessantes:

„ ... der wahre theologische Begriff des Heiles besagt ja nicht eine zukünftige Situation, die von außen sachhaft als erfreulich oder, wenn es Unheil ist, unerfreulich den Menschen überraschend überfällt oder ihm nur aufgrund einer moralischen Beurteilung zuerkannt wird, sondern besagt die Endgültigkeit des wahren Selbstverständnisses und der wahren Selbsttat des Menschen in Freiheit vor Gott durch die Annahme seines eigenen Selbst ...1
Mit anderen Worten: wie wir unser Leben leben und welche Haltung wir darin zu uns selbst und zu unserer Verwiesenheit auf Gott entwickeln, entscheidet über das, was theologisch unser Heil genannt wird.
Wir Menschen sind uns selbst überantwortet und aufgegeben. Dadurch, dass wir noch nicht von vornherein endgültig wissen, wer wir im Innersten sind, können wir in Freiheit darüber entscheiden. Wir wählen, wer wir sind, indem wir bestimmte Handlungen tun oder nicht tun und auf diese Weise wiederum bestimmte Haltungen entwickeln, die das ausmachen, was schließlich unser Charakter wird. 
Unsere Lebenstat, all unser Tun und Lassen, sind wir im Letzten selbst. Dies nennt Rahner das „wahre Selbstverständnis“ und die „wahre Selbsttat des Menschen“. 
Die Wahrheit zeigt sich im Verständnis Gottes vom Menschen, der uns anspricht und der uns als Hörende „wahr“ werden lässt, wenn unser Leben seinem Bild von uns entspricht.

Was macht dann also unser Heil aus? Als was wir uns wirklich selbst verstehen. Wie wir in „Endgültigkeit“ sind, ob wir, wenn es darauf ankommt, in Kongruenz von Wort und Tat leben können. Ob wir uns gelassen und dankbar als die annehmen, die wir sind – oder ob wir „verzweifelt“ (nicht) wir selbst sein wollen.2 Ob wir unser Leben letztlich vor Gott leben, sei es nun ausdrücklich oder nicht ausdrücklich. Ob wir unsere Freiheit realisieren, um wir selbst zu sein – oder ob wir uns abwenden von uns.

Vor Gott sich selbst verstehen, sich selbst annehmen und sich selbst tun. Wenn das als freie Tat Essenz unseres Lebens ist, sind wir heil.


1 Karl Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Sonderausgabe Freiburg i.Br. 1984, 50.
2 Vgl. Sören Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode. Stuttgart 1997, 22. Beide Formen der Verzweiflung, „verzweifelt man selbst sein wollen“ und „verzweifelt nicht man selbst sein wollen“ stellt Kierkegaard hier dialektisch zusammen. Denn sich selbst wirklich annehmen kann keine der beiden Formen der Verzweiflung.